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Pionierarbeit

Das Kunstforum Wien widmet der vielseitigen Künstlerin Kiki Kogelnik eine umfassende Schau.

Kiki Kogelnik working on one of her Bomb sculptures in her studio in New York, 1965. Photographer: John Pratt © Kiki Kogelnik Foundation. All rights reserved

Das Werk der gebürtigen Grazerin Kiki Kogelnik (1935–1997) gehört zum Vielseitigsten der österreichischen Nachkriegszeit: Die Künstlerin schuf Gemälde und Skulpturen ebenso wie Grafiken, Keramiken und Installationen, zudem finden sich in ihrem Schaffen auch performative Aspekte. Von der kunstinteressierten Öffentlichkeit und der Kritik gern als Vorreiterin der Pop-Art bezeichnet, sah sich Kogelnik selbst allerdings nicht als typische Vertreterin dieser Kunstgattung. Das breite Spektrum der Kogelnikschen Kunst lässt sich im Frühjahr im Bank Austria Kunstforum entdecken, wo die bis dato größte Einzelpräsentation der Künstlerin gezeigt wird. Im Zentrum von „Kiki Kogelnik: Now Is the Time“ steht dabei besonders das Werk der 1960er Jahre, das für Kogelnik eine künstlerische wie geografische Neuorientierung bedeutete.

Nach ihrem Studium an der Angewandten sowie der Akademie der bildenden Künste war Kogelnik von den spätern fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre Teil der Kunstgruppe St. Stephan. In dieser Periode entstanden farbenfrohe abstrakte Bilder mit positiver Grundstimmung – beispielsweise „I Lost My Chewing Gum“ (1960) –, die von der Kunstkritik gut angenommen wurden. Diese Arbeiten sind im Eingangsbereich des Kunstforums zu sehen. Extensive Reisen durch Europa und die Bekanntschaft mit dem kalifornischen Maler Sam Francis bewegten Kogelnik 1962 schließlich dazu, in die USA zu gehen. In der dynamischen Kunstszene New Yorks erwiesen sich besonders die Begegnungen mit Pop-Art-Künstlern wie Roy Lichtenstein oder Claes Oldenburg als fruchtbar. Der Hauptraum des Kunstforums zeigt denn auch Kogelniks Pop-inspirierte Reflexionen der amerikanischen Konsum-, Waren- und Technikwelt.

Kiki Kogelnik, Self-Portrait, 1964. Öl und Acryl auf Leinwand. Sammlung Mono Schwarz Kogelnik © Kiki Kogelnik Foundation. All rights reserved

Die Künstlerin ließ sich von Motiven wie Roboter und Maschinen oder dem damals allgegenwärtigen „space age“ inspirieren; dabei gestand sie der Technik durchaus Nützlichkeit zu, setzte allerdings mündige, die Technik nicht missbrauchende Menschen voraus. 1969 organisierte Kogelnik ein Moonhappening in Wien; während der Mondlandung von Apollo 11 entstand eine Serie von 500 Siebdrucken, die den Mond thematisieren. Die einsetzende Desillusionierung – hinter der Eroberung des Weltraums standen auch militärische Interessen – führte schließlich zu den berühmten Hangings: Die auf Kleiderhaken befestigten, lebensgroßen Körperumrisse aus Vinyl lassen sich als Abschluss der Pop-Art-inspirierten Zeit begreifen. In den siebziger Jahren thematisierte Kogelnik zunehmend Frauenrollen – nicht zuletzt ihre eigene als Kunstschaffende, Mutter und Ehefrau (1966 hatte sie den Onkologen George Schwarz geheiratet).

Eine der bekanntesten Arbeiten aus diesem Jahrzehnt ist „The Painter“ (1975), in der die dunkle Silhouette einer Malerin einen Pinsel mit (blut-)roter, tropfender Farbe vor ihrem Intimbereich hält. Frauenbilder und Schönheitsideale in der Werbung dekonstruierte Kogelnik mit prägnantem Humor, indem sie in Performances die Posen von Models nachstellen ließ. In dieser Dekade erwachte zudem Kogelniks Interesse an Keramik (das sie in den neunziger Jahren zu Arbeiten mit Glas erweitern sollte).

Kiki Kogelnik, The Painter, 1975. Acryl, Bleistift und Papier auf Leinwand. Kiki Kogelnik Foundation © Kiki Kogelnik Foundation. All rights reserved

Eines der zentralen Themen in Kogelniks Werk ist die Befragung der Kunst nach ihrer Artifzialität: „Kunst kommt von künstlich“, lautete ein Diktum der Künstlerin. Die ab den achtziger Jahren in ihren Arbeiten auftretenden Tiere bezeichnete sie als „Einwohner einer künstlichen Welt – meiner Welt“. Dies bedeutete allerdings keinen Eskapismus per se; immer wieder tauchen Fragen nach dem dualistischen Verhältnis von Leben und Tod auf. Dies zeigte sich auch in einer Vorliebe für ungewöhnliche Materialien und Objekte: Für ihre „Bomb Sculptures“ etwa nutzte sie echte, gebrauchte Bomben.

Kuratorin Lisa Ortner-Kreil möchte mit der Ausstellung – der Titel „This Is the Time“ bezieht sich auf das gleichnamige Gemälde aus dem Jahr 1972 – auch zeigen, wie gesellschaftlich relevant das Werk der Künstlerin heute noch erscheint: „Die Zeit ist reif für die systematische Betrachtung eines Gesamtwerks, das sich mit den Errungenschaften und Auswüchsen der Konsumgesellschaft, dem Nutzen und den Problemen von technischem Fortschritt, Medizin und Diagnostik sowie, immer und immer wieder, mit dem weiblichem Körper als Untersuchungsgegenstand auseinandersetzt.“ Kiki Kogelnik starb am 1. Februar 1997 an den Folgen eines Krebsleidens.

Kiki Kogelnik: Now Is the Time
Bank Austria Kunstforum Wien
bis 25. Juni 2023

 

| FAQ 69 | | Text: Oliver Stangl
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