Eigentlich war Lou Bloom nur auf der Suche nach einem Job. Weil der junge Mann ein gewisses Faible für Abgründiges hat, schnappt er sich eine Kamera und versucht sich als Lokalreporter – seine Schwerpunkte sind dabei Verkehrsunfälle und Gewaltverbrechen jeglicher Art wie Überfälle und Morde – in den Straßen von Los Angeles. Ein Fernsehsender findet Gefallen an den Berichten über die dunklen Seiten der Stadt, also muss Lou ständig für Nachschub sorgen und immer spektakulärere Bilder von Leid und Unglück liefern. Dabei gerät er immer tiefer in den Sumpf der Halb- und Unterwelt der kalifornischen Metropole, auch seine Methoden um an Nachrichten zu kommen, werden immer fragwürdiger. Es ist ein riskantes Spiel, auf das er sich einlässt – Lou Bloom läuft Gefahr, selbst Inhalt einer unheilvollen Nachricht zu werden. Dan Gilroy, der sich bislang als Drehbuchautor einen Namen machen konnte – so arbeitete er etwa am Skript von The Bourne Legacy mit, der wiederum von seinem Bruder Tony inszeniert wurde – liefert mit dem medienkritischen Thriller Nightcrawler sein Regiedebüt ab, mit Jake Gyllenhaal hat er die ideale Besetzung für die Hauptrolle gefunden.
Düster ist es auch nachts in den Straßen von Cheesebridge, einer Stadt irgendwo im viktorianischen England. Heimgesucht werden diese von seltsamen Geschöpfen, den Boxtrolls, die in Stollen unterhalb der Stadt wohnen und nach Einbruch der Dunkelheit hervorkommen und neben allem, was nicht niet- und nagelfest ist, auch Kinder rauben. So hat es sich zumindest seit Menschengedenken in den Köpfen der Bürger von Cheesebridge festgesetzt. Dabei sind die Boxtrolls ebenso freundliche wie scheue Wesen, die nur ein etwas eigenwilliges Erscheinungsbild haben. Zwar wächst tatsächlich ein Kind bei ihnen auf, doch das haben sie aus einer misslichen Lage gerettet. Der Bub fühlt sich mittlerweile so gut behütet, dass er glaubt, selbst ein Boxtroll zu sein. Doch gegen Vorurteile kommt man schwer an, die armen Trolle werden immer wieder unerbittlich von den Menschen verfolgt. Mit The Boxtrolls hat das Studio Laika, spezialisiert auf die Stop-Motion-Technik, einen ebenso eigenwilligen wie originellen Beitrag im Fachbereich Animation abgeliefert. In für das Genre ungewohnt düsteren, aber ungemein phantasievollen Bildern wird eine berührende Geschichte von parabelhafter Allgemeingültigkeit erzählt, die auch ihre spaßigen Momente hat.
Joss Whedon gilt als einer der kreativsten Köpfe, die zurzeit in Hollywood anzutreffen sind. Begonnen hat er seine Laufbahn als Drehbuchautor und Entwickler von Fernsehserien. Whedon war Mastermind von erfolgreichen Formaten wie Buffy the Vampire Slayer, Angel und der mittlerweile kultisch verehrten Mischung aus Western und Sci Fi, Firefly. Er verfasste die Skripts von Alien: Resurrection und The Cabin in the Woods, bei The Avengers, der erfolgreichen Adaption des Marvel Comics, übernahm er zudem auch gleich die Regie. Gleichsam zwischendurch hat sich der umtriebige Whedon einem ungewöhnlichen Projekt gewidmet. In knapp zwei Wochen verfilmte er (die Dreharbeiten fanden in seinem eigenen Haus statt) Shakespeares „Much Ado About Nothing“. Zwar siedelt Whedon seine Version in der Upper Class der Gegenwart an, doch ansonsten vertraut er ganz auf die Kraft von Shakespeares Sprache und Dramaturgie – ein gelungenes Konzept, mit dem Joss Whedon auch sein Gespür für einen Stoff klassischen Zuschnitts unter Beweis stellt.
Ken Loach zählt seit vielen Jahren zu den festen Größen des Weltkinos, in seinen Filmen hat er stets eine klare Haltung in sozialen und politischen Fragen eingenommen. Mit seinem neuen Film Jimmy’s Hall bedient sich Loach eines zeitgeschichtlichen Ambientes. Im Irland der dreißiger Jahre versucht Jimmy Gralton, der die letzten Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht hatte, nach der Rückkehr in seine Heimat, ein wenig Abwechslung in den Alltag zu bringen, in seiner Scheune spielt er Jazz und veranstaltet Tanzabende. Doch damit gerät er in Konflikt mit der katholischen Kirche, als er sich auch noch mit den lokalen Großgrundbesitzern anlegt, eskaliert die Lage. Mit Jimmy’s Hall wollte der mittlerweile 78-jährige Ken Loach seine Arbeit als Regisseur eigentlich beenden, ein Entschluss, den der Altmeister aber glücklicherweise schon wieder revidiert hat.
Ebenfalls in einer historischen Epoche ist The Salvation angesiedelt, nämlich in den Vereinigten Staaten der 1870er Jahre. Irgendwo im Westen erwartet der aus Dänemark stammende Siedler Jon sehnsüchtig die Ankunft seiner Familie. Doch das Widersehen gerät zur Tragödie, denn kurz nach ihrer Ankunft werden seine Frau und sein kleiner Sohn ermordet. Jon nimmt Rache an den Tätern, doch einer der dabei Getöteten war der Bruder eines berüchtigten Banditen, der die gesamte Gegend terrorisiert – die Spirale der Gewalt dreht sich blutig weiter. Der Versuch, das klassische Genre des Westerns wieder zu beleben, ist in jüngerer Vergangenheit oftmals gescheitert, doch dem dänischen Regisseur Kristian Levring ist mit The Salvation ein veritables Revival gelungen Sein Rachewestern – der übrigens in Südafrika gedreht wurde – verknüpft geschickt klassische Motive des Genres mit einer Hinterfragung seiner Mythen. Besetzt ist der Film mit Mads Mikkelsen und Eva Green zudem exzellent.
Apropos klassischer Western: Kaum ein anderer Regisseur hat dieses Genre so nachhaltig geprägt wie John Ford. Das Filmmuseum zeigt in Kooperation mit der Viennale eine umfassende Retrospektive, die Gelegenheit bietet, den gewaltigen Einfluss, den Ford, der neben dem Western in fast allen Genres zu Hause war, auf die Form des klassischen Hollywoodkinos hatte, zu begutachten. Neben Klassikern wie Stagecoach, My Darling Clementine oder The Searchers ermöglicht die Retrospektive auch Einblicke in die frühen Arbeiten John Fords, dessen Karriere sich über beinahe sechs Jahrzehnte erstreckte.
Nightcrawler
Kinostart 14 November
Die Boxtrolls / The Boxtrolls
Kinostart 23 Oktober
Viel Lärm um Nichts / Much Ado About Nothing
Kinostart 10. Oktober
Jimmy’s Hall
Kinostart 3. Oktober
The Salvation
Kinostart 10. Oktober
Retrospektive John Ford
16. Oktober – 30. November