Wenn man Anfang Februar Karten für das am 24. des Monats angesetzte Konzert von Sophie Lindinger und Mira Lu Kovacs im charmanten Mozartsaal des Wiener Konzerthauses ordern wollte, war man definitiv zu spät dran. Der Auftritt war nämlic relativ überraschend in kurzer Zeit ausverkauft. Es regt sich etwas in den heimischen Publikumsschichten – und es tut sich immer mehr auf der kreativen Ebene.
Sophie Lindinger kann man fast schon als Routinier bezeichnen. Erstmals trat sie im Duo Leyya mit dem heute vielbeschäftigten Produzenten Marco Kleebauer (u. a. Bilderbuch, Faber oder Oehl) an die Öffentlichkeit. Das Projekt erntete vom ersten Ton an fabelhafte Reaktionen, egal ob von FM4, Printmedien oder dem Publikum. Die beiden Alben „Spanish Disco“ (2015) und „Sauna“ (2018) zeigten klar, dass hier über die Grenzen hinaus gedacht und gearbeitet wurde. Songs wie „Superego“ – mit knapp einer Million Aufrufen auf YouTube – und Auftritte auf vielen Sommerfestivals demonstrierten, dass sie es schafften, den Nerv ihrer Generation zu treffen. Nach dem zweiten Album pausierten Leyya, und Sophie Lindinger gründete mit Mira Lu Kovacs die klassische Gitarrenband My Ugly Clementine, die dank der überbordenden Kreativität aller Mitglieder keinen Mangel an tollen Songs hatte und das Genre Gitarrenpop mit einem Blick nach vorn bereicherte.
Jetzt entzieht sich Lindinger dem Bandkonzept und legt ihr erstes Soloalbum vor. Das Cover ziert ein Selbstporträt. Nicht nur, um dem DIY-Konzept Genüge zu tun, sondern weil die Künstlerin mehr als ein Talent ihr Eigen nennt. Nach einer persönlichen Krise war sich Lindinger zunächst nicht sicher, ob sie die entstandenen Songs aufgrund ihrer privaten Natur veröffentlichen sollte. Nach einigem Abstand war ihr klar, dass die anfänglichen Zweifel unbegründet waren und dass genau diese Songs auf ihr Soloalbum mussten. Lindinger schreibt an der Schnittstelle zwischen Verzweiflung und Hoffnung, jenem Punkt, an dem die Vergangenheit noch die Gefühle dominiert und den Blick nach vorne schwer macht; gleichzeitig ist aber klar, dass der Silberstreif am Horizont entweder schon sichtbar ist, oder zumindest bald sichtbar sein wird. Wie sie in „Coffee“ die Präsenz der vergangenen Liebe beschreibt, aber gleichzeitig andeutet, dass es weitergehen wird und die Zukunft nicht zwingend schwarz ist, ist eine wahre Meisterleistung des minimalistischen Songwritings, das unter die Haut geht. Mit knappen Gitarrenklängen werden die diffizilen Gefühlslagen des Neuanfangs und des Zweifels, wieder lieben zu können genauso in Songs übersetzt, wie die Erfahrungen mit Antidepressiva. Und am Ende steht die Botschaft, die für jeden gilt, der auf Liebe hofft: Liebe dich selbst – oder lerne es zumindest.
Sophie Lindinger
5. April, Rote Bar, Wien