Irgendwann in gar nicht allzu ferner Zeit werden Diplomarbeiten über die Kunstproduktion in Coronazeiten verfasst werden. Schlaue und an Haaren herbeigezogene Schlüsse werden gezogen und vieles wird in das Subgenre „Pandemiekunst“ gestopft werden und auf Rezeption hoffen. Vieles, aber nicht alles dieser Jahre wird am großen Misthaufen des Vergessens landen, es werden auch Kreationen bleiben, die es zu allen anderen Zeiten ebenso ins Langzeitgedächtnis geschafft hätten. Und damit wären wir bei „In My Mind“ von den Wallners. Ein Lied, das sich seit Herbst seinen Weg durch Spotify-Playlisten bahnt, und den Hörer mit einer Zielsicherheit in seinen Bann zieht, dass man meinen könnte, so etwas schaffen nur zynische Profis oder Bands auf der Höhe ihres Schaffens. Hier stimmt alles: die Reduktion, die Inszenierung und vor allem das Geheimnis, das jeder Sehnsucht innewohnt. Die Phrase vom Klassiker der Moderne ist schon oft strapaziert worden, aber in diesem Fall ist es absolut berechtigt, sie wieder einmal zu strapazieren. Denn sofern Soap&Skin heuer nichts mehr veröffentlicht, dann ist es dieses Lied, und dieses Gefühl, dass uns lange begleiten wird. Dazu kommt noch das perfekte Video, das dem Song nicht sein Rätsel nimmt, sondern ihn vollkommen ergänzt und dem Beobachter zwar tolle Bilder liefert, aber die Musik und die Stimme von Anna Wallner nie in die zweite Reihe stellt.
Nachdem das Heimstudio vom schimmligen Keller in den Dachboden verlegt wurde, veröffentlichen die vier Geschwister, die den Familiennamen zum Bandnamen machten, nun ihre erste EP mit fünf Songs und beweisen, dass „In My Mind“ keine Eintagsfliege war. Selten ist es zu beobachten, dass das Potenzial und die Besonderheit einer Band auch gleich von einem der großen Player wie in diesem Fall Universal unterstützt wird, aber bei den Wallners ist halt vieles anders. Die Geschwister wuchsen in einem musikalischen Umfeld auf: Der Vater betreibt ein Klaviergeschäft im Schatten der Karlskirche und so waren Instrumente immer präsent. Als sich jeder seinem Studium widmen wollte, ging ihnen auf, wie sehr sie das gemeinsame musizieren, herumblödeln und improvisieren vermissen. In diesem Moment waren die Wallners geboren. Die erste Million Klicks ist auch schon erreicht und der Weg der Songs über diverse Playlisten ist unaufhaltsam, aber auch in der klassische Radiowelt haben schon viele Programmierer die Magie der Songs der Wallners zwischen The XX, Lana Del Ray und der Düsternis unserer Träume entdeckt. Es wird nicht mehr lange dauern und Sounddesigner für Serien, werden hier zuschlagen und den Abspann oder Zeitlupenszenen mit einem der Songs unterlegen. Wie sangen einst die schon lange vergessenen Timbuk 3: „The future is so bright, I gotta wear shades“.
Wallners „Prolog1“ (Umi / Universal)