Wiener Symposium zu 50 Jahre Oberhausener Manifest.
„Manifeste verfügen über eine komplizierte zeitliche Struktur: Sie projektieren eine Zukunft, um in der Gegenwart zu intervenieren, während die Vergangenheit mit großer Geste verabschiedet wird.“ Die große Geste, die die Wissenschafterin Karin Harrasser hier beschreibt, lautet im Original des am 28. Februar 1962 von 26 Filmautoren, Produzenten, Kameraleuten, Musikern sowie einem Schauspieler unterzeichneten Oberhausener Manifests: „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.“
Dem zum Slogan gewordenen „Papas Kino“ und somit dem hauptsächlichen bundesdeutschen Filmschaffen der Nachkriegszeit (vielfach geprägt durch die eskapistischen Tendenzen des Heimatfilms und populärer Formate wie der Edgar-Wallace-Reihe) wurde eine Wellen schlagende Absage erteilt.
Die „Obermünchhausener“, wie die Filmemacher rund um Alexander Kluge, Edgar Reitz, Peter Schamoni und Herbert Vesely anfangs vonseiten der Kritik genannt wurden, maßen dem Kurzfilm große Bedeutung zu. Als „Schule und Experimentierfeld“ wie auch Spielwiese mit größeren Freiheiten in Bezug auf Konventionen, kommerzielle Beeinflussung und Bevormundung sollten sie den Weg zum neuen deutschen Spielfilm weisen.
Zum 50jährigen Jubiläum dieses filmhistorisch und gesellschaftspolitisch einschneidenden Aktes zeigt das Wiener Filmmuseum eine Retrospektive, die in acht Programmen Filme aus den Jahren 1958 bis 1968 versammelt und in einem größeren, internationalen Rahmen präsentiert.
Zum Auftakt der Retrospektive veranstaltet das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien gemeinsam mit den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen und in Kooperation mit dem Filmmuseum und Synema eine zweitägige internationale Konferenz.
Die hochkarätigen Vorträge widmen sich einzelnen Positionen unter den Filmemachern, den interdisziplinären Schnittstellen sowie der Verankerung inner- und außerhalb der kulturellen als auch politischen Geschichte der Bundesrepublik.
So wird Heinrich Adolf in seiner topographischen Verortung der „Oberhausener“ unter anderem über das kulturelle, politische und gesellschaftliche Brodeln sprechen, das sich bereits im Juni 1962 in den „Schwabinger Krawallen“ manifestierte. Florian Wüst stellt in seinem Vortrag die eng miteinander verbundene Geschichte von Experimentalfilm und der Entwicklung elektronischer Musik dar und Gerlinde Waz zeichnet die Entstehung experimentellen Fernsehens der 60er und 70er Jahre nach.
Im Synema-Verlag erscheint außerdem eine 44-seitige, äußerst lohnenswerte Broschüre zum Symposium, die neben Abstracts zu den Vorträgen aktuelle und historische Texte von Ralph Eue, Christian Schulte, Joe Hembus, Alexander Kluge und Hans-Rolf Strobel wie auch raren Fotografien enthält.
Provokation der Wirklichkeit. 50 Jahre Oberhausener Manifest.
Symposium am 7. und 8. Juni 2012 im Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien
Nähere Informationen zur Veranstaltung, den Vorträgen, den teilnehmenden Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unter: passagen.univie.ac.at
Retrospektive im Filmmuseum 7. bis 25. Juni