Während seines kurzen Lebens feierte Jean-Michel Basquiat (1960–1988) herausragende Erfolge, von denen Gleichaltrige nur träumen konnten. Die Metapher vom kometenhaften Aufstieg, sie passte perfekt zum gebürtigen New Yorker mit puertoricanisch-haitianischen Wurzeln: Er war mit 21 der jüngste Teilnehmer an der documenta in Kassel, zierte mit 22 das Cover des „New York Times Magazine“, arbeitete mit Pop-Art-Ikone Andy Warhol zusammen, hatte eine kurze Beziehung mit Popstar Madonna, spielte in der Band Gray Synthesizer und Klarinette, stellte in renommierten Galerien aus und erzielte beträchtliche Erlöse beim Verkauf seiner Werke. Und doch fühlte er sich, dem als ersten Schwarzen der Durchbruch in die von Weißen dominierte Kunstwelt gelungen war, oft wie ein Exot – gerade wegen seiner Hautfarbe. Vielleicht war dies mit ein Grund, warum er die Existenz einer „Kunstwelt“ an sich nicht anerkannte: „I don’t think there really is an art world. There’s a few good artists and then everything else is extra.“ Auch die Einordnung als Graffiti-Künstler behagte dem an einer Überdosis Verstorbenen nicht, eher sah er sich als Autor. Basquiats Werk polarisierte zu Lebzeiten und darüber hinaus, wurde von Anhängern als komplex gesehen und von Gegnern als banal verdammt (ein Kritiker der „New York Times“, bezeichnete Basquiat als „talentlos“ und schrieb dessen Erfolg bloßem Hype zu).
Nun bringt die Albertina mit „Jean-Michel Basquiat. Die Retro-spektive“ das Werk des Künstlers erstmals in großem Stil nach Österreich. Kurator Dieter Buchhart betont dabei die Relevanz der gezeigten Arbeiten: „Basquiat war radikal in seiner Kunst. Fragen von Identität, Diaspora, Sklaverei und Alltagrsrassismus finden sich in einer einzigartigen Stilistik wieder, welche es Basquiat ermöglichte, die Vergangenheit mit seiner Gegenwart, bis in unsere Zeit hinein zu verbinden. Seine Copy-Paste-Technik nahm unsere heutige Form des Arbeitens und Kommunizierens in einer digitalen Welt vorweg.“ Die Retrospektive versammelt rund 50 Hauptwerke Basquiats aus öffentlichen und privaten Sammlungen; die begleitenden Saaltexte zeichnen ein Bild des New Yorker Umfelds der Achtziger, das Basquiats Kunst prägte und vermitteln seine spezifischen Techniken zwischen Schriftelementen, Graffiti und Zeichnung.