Wenn man von etwas träumen kann, kann man es auch umsetzen“, hat der große Enzo Ferrari (1898–1988) einmal gesagt. Der Norditaliener, über dessen Leben gerade ein Hollywoodfilm gedreht wurde, hatte sehr konkrete Träume. Ferraris Sportwagen verbanden ästhetische Ansprüche mit Qualität, Unternehmertum mit Glamour.
Seine Erzeugnisse waren ebenso auf der Rennstrecke wie auf der Straße ein Erfolg. Der prächtige Band „The Italians. The Most Iconic Cars from Italy and their Era“ erweist der Legende selbstredend Respekt, holt aber auch Designer wie Giugiaro, Pininfarina, Bertone, Gandini und Ghia bzw. Marken wie Maserati, Lamborghini, Lancia und Alfa Romeo vor den Vorhang. Zudem verneigen sich US-Autor Blake Z. Rong und der deutsche Herausgeber Robert Klanten vor weniger bekannten Namen. So ist eine illustrierte Geschichte der italienischen Sportwagenindustrie entstanden, in der Prototypen und Konzeptfahrzeuge auf Serienmodelle treffen.
„Il futuro è ora“, heißt es im Vorwort, „die Zukunft ist golden“. Dort wird ein Bogen zu Tommaso Marinetti gespannt, der 1909 das „Futuristische Manifest“ verfasste – eine avantgardistische (und nicht immer unumstrittene) Kunstrichtung, deren Spuren sich bis heute in italienischen Industrierzeugnissen finden lassen und in der sich Elemente wie Aufbruch in die Moderne, Rasanz und Dynamik spiegeln. Ein „kollektives Auge des italienischen Volkes für Kunst, Handwerk, Haute Couture und Wagemut“ ist es laut Klanten und Rong, was Design Made in Italy ausmacht. Vom Carrara-Marmor über das Renaissance-Gemälde bis zum Murano-Glas ist der Weg kein weiter. Was Autos betrifft – zu Beginn des 20. Jahrhunderts Symbole für Individualismus, Freiheit, Moderne, Wohlstand – etablierten sich Turin und Mailand als die Zentren Italiens. Nach Ende des 2. Weltkriegs erlebte der Norden des Landes einen Boom, in dem sich Intellektualiät, Glamour und Industrie vereinten. Während in Cinecittà legendäre Filme entstanden, änderte etwa Olivetti mit seiner legendären Schreibmaschine die Ästhetik der Arbeitswelt; Mode von Designern wie Armani, Gucci, Prada oder Versace (um nur einige wenige zu nennen) hat bis heute nichts von ihrem Prestige verloren. Wie die Textilindustrie bestach auch die Automobilindustrie mit einem Auge für Symmetrie, Details und Proportionen – Kunst auf Rädern. Krisen und Rückschläge waren immer Teil dieser Industrie, doch darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Werfen wir also mit „The Italians“ einen Blick auf besonders schöne italienische Autos zwischen Futurismus, Geschwindigkeit und zeitloser Eleganz.
„Disco Volante“, „Fliegende Untertasse“, heißt einer der schönsten Wagen, die Alfa Romeo je entworfen hat – und tatsächlich kann man sich den 1952 als Rennauto entworfenen Wagen (voller Name: 199 C52) problemlos in einem Science-Fiction-Film jener Zeit vorstellen. Das Design des Cabrios verbindet das Schöne mit dem Praktischen: Die seitlich über die Reifen hinausragende Karosserie (gebaut von der Carozzeria Touring) sorgt nicht nur für heiße Kurven, sondern diente als Schutz vor Seitenwind. Ein Erfolg war dem Wagen, der auf US-Privatiers abzielte, aufgrund diverser Umstände nicht beschieden; sein Design und der Umgang mit der Aerodynamik hinterließen aber deutliche Spuren bei nachfolgenden Modellen.
Der B.A.T. (1953) von Alfa Romeo ist für Rong und Klanten eines der „aufregendsten und dramatischsten“ Autos aller Zeiten. Auch hier gibt es Sci-Fi: Ungewöhnliche Formen und eine Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h mochten so manchen an eine Invasion vom Mars glauben lassen. Insgesamt gab es Ausführungen bis hin zum B.A.T. 9 (B.A.T. steht für Berlina Aerodinamica Tecnica, doch ist bei diesen Formen auch der Gedanke an Batman bzw. dessen Batmobil nicht abwegig). In Serie ging keines der Modelle, doch für Publicity war gesorgt.
Der Fiat 8V Supersonic hat auch eine Verbindung zum Fliegen: 1952 überraschte das Unternehmen, das viele als das „Volkswagen Italiens“ sehen, mit einem Jet-inspirierten Auto. Federführend beteiligt war dabei Dante Giacosa, der später den legendären Fiat 500 entwarf. Der 8V beeindruckte mit langen, durchgehenden Linien, die in Rücklichtern endeten, die den Nachbrennern von Düsenjets nachempfunden waren.
Die ausgedehnte Motorhaube und die gerundete Kabine mochten den Fahrern vermitteln, dass sie im Cockpit einer Maschine saßen. Ferrari folgte mit dem zweisitzigen Coupé 275 GTB (1964) auf den legendären 250er. Eine ausgefeilte Hinterradaufhängung und eine Neukonstruktion der Achseneinheit balancierten den Wagen extrem gut aus; Designer Francesco Salamone gelang es, die Rasanz mit zarten Formen so zu bändigen, dass das Fahrzeug ungeheuer elegant wirkte, zudem war es innen geräumiger. Die 450 gefertigten Exemplare wurden schnell begehrte Sammlerstücke …
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THE ITALIANS
The Most Iconic Cars from Italy and Their Era
gestalten, Berlin 2023
320 Seiten
gestalten.com