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Ray of Light

Text: Oliver Stangl | Fotos: Kunstforum Wien

Man Ray war ein Revolutionär auf dem Gebiet der Fotografie. Dass sein kreatives Schaffen noch zahlreiche andere Gebiete umfasste, wird in einer großen Retrospektive des Kunstforums Wien deutlich.

Der US-Amerikaner Man Ray, 1890 in Philadelphia als Emmanuel Radnitzky geboren und 1976 in Paris verstorben, war ein Mann vielfacher Ausdrucksmittel: Er malte, drehte experimentelle Filme und war als Objektkünstler tätig. Zu nachhaltigem Ruhm aber gelangte er bekanntermaßen mit seinen innovativen und revolutionären Arbeiten auf dem Feld der Fotografie. Die von Lisa Ortner-Kreil kuratierte, mit unzähligen Leihgaben versehene Retrospektive im Kunstforum Wien – es handelt sich übrigens um die erste im deutschen Sprachraum – hat es sich zur Aufgabe gemacht, den „ganzen“ Man Ray zu zeigen. Es ist dies ein mehr als geglücktes Unterfangen, das Leben und Werk dieser Ikone der Moderne sichtbar macht.

Ganz Paris

Seine frühen Künstlerjahre verbrachte Man Ray in New York sowie in einer Künstlerkolonie in Ridgefield, Connecticut. Dort traf er auf Marcel Duchamp, von dem er viele künstlerische Impulse empfing und mit dem ihn eine jahrzehntelange Freundschaft verband (in der Schau finden sich gemeinsame fotografische Arbeiten). In Ridgefield lernte er auch seine erste Frau, die Dichterin Adon Lacroix kennen (die Ehe wurde 1919 geschieden). Den Großteil seines Lebens verbrachte Man Ray jedoch in Paris, wohin er 1921 übersiedelte: Die europäische Metropole, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Welthauptstadt der Kunst galt, war ihm Sehnsuchtsort und spirituelle Heimat, dort verkehrte er mit Schriftstellern und Malern wie Hemingway, Cocteau, Picasso, Braque oder Dalí. Zwar war Man Ray ein talentierter Maler – bereits in den USA orientierte er sich an Kubismus und Fauvismus –, doch war er auf diesem Gebiet letztlich einer unter vielen. Betrachtet man die frühen Gemälde im Kunstforum, kommen einem etwa Vorbilder wie Giorgio de Chirico in den Sinn.

Anerkennung erlangte Man Ray im Medium der Fotografie, die damals als notorisch technisch und unkreativ galt. Hier erwies er sich, anders als in der Malerei, als wahrer Revolutionär. Mit seinen „Rayografien“ – eine Variante des Fotogramms – schuf er abstrakte und originelle Werke, doch sollte erst eine Weile vergehen, bis er als Künstler ernst genommen wurde. Immerhin sprangen Modemagazine wie „Vogue“ oder „Harper’s Bazaar“ schnell auf den Stil des Wahleuropäers an, was zu einer Reihe von Aufträgen führte. Auch die Kunstszene ließ sich von Man Ray gern porträtieren – eine weitere Geldquelle. Über das Feld der kreativen Fotografie hinaus kann man Man Ray somit auch als Dokumentaristen der damaligen Kunstszene einstufen.

Im Lauf der zwanziger Jahren entstanden einige seiner berühmtesten Arbeiten, darunter viele Aktfotografien des französischen Modells Kiki de Montparnasse, die ihm gleichermaßen Muse wie Geliebte wurde. Sie ist es auch, die auf dem ikonischen Foto „Le Violon d’Ingres“ als weibliches Violoncello fungiert: Dieses Foto zwischen Rätselhaftigkeit und Verspieltheit, das zu den bekanntesten des 20. Jahrhunderts gehört, wurde vielfältig interpretiert, darunter auch als Wunsch des Mannes, die Frau wie ein Instrument zu benutzen. Eine Konstante in Man Rays Schaffen sind Kunstobjekte, in denen sich seine Vorliebe für hintergründigen Humor, Absurdität und Dada spiegeln: So schuf er etwa ein Bügeleisen, auf dessen Unterseite Reißnägel angebracht sind. Solche Objekte kann man im Kunstforum ebenso bewundern wie einige Experimentalfilme, die sich mit Bewegung und Architektur beschäftigen.

Exil und Rückkehr

Anfang der dreißiger Jahre lernte Man Ray Lee Miller kennen, eine Amerikanerin, die seine Assistentin und Geliebte wurde. Mit ihr gemeinsam schuf er das Verfahren der Solarisation: Die Verfremdungen und Überbelichtungen dieses Verfahrens eigneten sich hervorragend für Man Rays surrealistische und dadaistische Arrangements. Miller fungierte in diesen von de Sade beeinflussten Arbeiten, die Sexualität und Unterwerfung thematisieren, oft auch als Model. Die Trennung von Miller stürzte Man Ray in eine Krise; dazu kam, dass Straßenfotografie mittlerweile das dominierende Genre war und den surrealistischen Stil in Bedrängnis brachte. Weiters war der Künstler durch den Aufstieg der Nationalsozialisten beunruhigt. In den dreißiger Jahren widmete er sich wieder der Malerei und schuf so einige seiner stärksten Gemälde: Hatte er sich in seiner Arbeit bis dahin kaum explizit politisch geäußert, so malte er nun apokalyptische Werke, die vom Aufstieg der Nazis erzählen. Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln musste er Paris 1940 in Richtung USA verlassen. Nach einigen Jahren in Kalifornien, wo er seine zweite Ehefrau Juliet Browner kennenlernte, kehrte er 1951 wieder nach Paris zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte.

Mit den Tod ist die Ausstellung jedoch nicht zu Ende: Auch der Nachruhm des Künstlers wird thematisiert. Anhand von Musikvideos wie etwa Depeche Modes „Barrel of a Gun“ (Regie: Anton Corbijn), das auf Man Rays Fotografien anspielt, wird evident, welchen Einfluss der Mann auf die Popkultur ausübte.

Eine starke und verdienstvolle Ausstellung, die zweifellos großen Zuspruch ernten wird.

Man Ray. Kunstforum Wien.

Noch bis 24. Juni

www.kunstforumwien.at

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