Die filmische Darstellung von Musikern – von der einfachen Krimifolge über deutsche Fernsehspiele bis hin nach Hollywood – ist meistens oberflächlich und fast immer im Niemandsland zwischen Ahnungs- und Lieblosigkeit angesiedelt. Es gibt natürlich einige löbliche Ausnahmen wie The Thing Called Love (1993) von Peter Bogdanovich, aber im Normalfall regiert das Kopfschütteln.
Wenn sich nun der Menschenfänger und Menschenversteher Ulrich Seidl vornimmt, einen Film zu drehen, der die Geschichte des Schlagersängers Richie Bravo erzählt, kann davon ausgegangen werden, dass er sich dieses Umstands bewusst war. Und dass er kreative Partner brauchte, die nicht nur Schlagerfans waren, sondern Richie Bravo auch mit Songs ausstatten konnten. Entstanden ist diese Figur, als Seidl seinen Schauspieler Michael Thomas in einer Karaokebar hörte und sich die Idee zum Schlagersänger im Spätherbst seiner Karriere formte. Es war klar, dass nur Thomas als Darsteller in Frage kam, denn er hatte alle Attribute, um die erdachte Figur zum Leben zu erwecken und als Mensch mit allen Facetten auf die Leinwand zu bringen.
Ulrich Seidl hatte schließlich den Einfall, einen Freund zu kontaktieren, der Schlager schamlos liebt: Fritz Ostermayer, Radiolegende und lebenslanger Kämpfer für die Rührung. Er und Herwig Zamernik, der als Fuzzman mit „Endlich Vernunft“ kürzlich ein ganz großes, zu Herzen gehendes Album vorgelegt hat (das durchaus mit mehr als einem Schlagerelement spielt), übernahmen die Aufgabe.
Wie ist euch Richie Bravo nahegebracht worden?
Herwig Zamernik: Fritz wurde von Ulrich Seidl gefragt, ob er Schlager machen kann, und dann hat Fritz mich gefragt, ob ich mit ihm Schlager machen kann.
Fritz Ostermayer: Ich habe eine längere Geschichte mit Ulrich Seidl. Bei Hundstage wurde ich von Veronika Franz angerufen, die wusste, dass ich ein Schlagernarr bin. Sie suchte einen Schlager, der kaum Worte hat und ich sagte ‚Monja‘. Da wird ein Wort durchgesungen. Sie kam zum ORF, wir gingen ins Archiv und ich spielte ihr die Single vor. Sie rief dann gleich Ulrich Seidl mit den Worten an: ,Das ist es‘.
Im Abspann von Hundstage stand dann ‚Fritz Ostermayer – Musikalische Beratung‘. Ich war da wirklich gerührt. Dann ist da über den Schlager eine Freundschaft zusammengewachsen und beim nächsten Film legte ich schon bei der Premierenfeier Schlager auf. Das habe ich dann immer wieder gemacht, bis es jetzt zu Rimini kam. Wir haben uns getroffen, und Ulrich hat mich gefragt, ob ich jemanden kenne, der wirklich Hits schreiben kann. Da habe ich mir gedacht, wenn man wirklich Hits schreiben kann, dann lebt man auf einer Finca auf Teneriffa und redet nicht in Wien über einen neuen Seidl-Film. Aber gleichzeitig habe ich gesagt: ,Ich kann das‘. Er hat mich gefragt, ob ich selber Schlager schreibe und einen Hit vielleicht auch und ich hab’ wieder ,Ja‘ gesagt. Ich habe dann gleich Herwig angerufen. ,Oida, wir brauchen Schlagerhits für einen abgehalfterten Schlagersänger namens Richie Bravo.‘ Das war der Einstieg.
Für die Umsetzung hättest Du, Fritz – als Casio-König – aber in jedem Fall Unterstützung gebraucht.
Ostermayer: Unbedingt. Mit meinem kleinen Equipment wäre es unmöglich gewesen, das für die große Leinwand zu machen. Ich hätte auch einen Profi aus der Branche fragen können, aber ich wollte einen Freund. Mit Herwig habe ich den idealen Verbündeten gefunden.
Sind die Songs eine Zusammenarbeit?
Zamernik: Im Wesentlichen nicht, wir haben jeder unsere Songs geschrieben. ,Emilia‘ und ,Amore Mio‘ sind von mir, Fritz war beim Text dabei.
Ostermayer: Nur die wirklich kläglichen Schlager sind von mir. Der ,Winnetousong‘ ist leider nicht von uns. Michael Thomas hat ja 15 Jahre bei den Karl May Festspielen den Old Shatterhand gespielt. Er hat da einen zusammengesampelten Filmsoundtrack mitgebracht und seine Text dazu gesungen. Das sticht im Film natürlich total heraus, weil plötzlich ein Orchester zu hören ist.
Zamernik: Es kommen immer wieder Leute zu uns, die uns zu diesem Lied gratulieren und meinen, es wäre ihr Lieblingssong – und wir stehen dann da und saufen Spritzer, um zu vergessen.
Richie singt im Film mit ,Merci Chérie‘ und ,Griechischer Wein‘ zwei Hits von Udo Jürgens. Steckt ihr auch hinter dieser Auswahl?
Ostermayer: Wir haben einen Pool zur Verfügung gestellt, da war Roy Black dabei, Christian Anders, aber der ist für diesen Film fast zu dramatisch und geht schon ins Roy-Orbinsonhafte hinein. Aber Richie ist ja eher ein Damenbeglücker der ruhigen Art, der wie jeder Schlagersänger nicht überwältigen darf, sondern nur berühren soll. Die zwei Udo-Jürgens-Songs waren da auch dabei.
Zamernik: Wir haben ja viel mehr Lieder und Coverversionen aufgenommen. Michael Thomas hat auch ,Ganz in Weiß‘ oder ,Melancholie‘ eingesungen, aber wie das im Film so ist, kommt halt viel Material nicht in die Endfassung.
Ostermayer: Dass überhaupt was drinnen ist, ist ja schon ein Wunder. Wenn Ulrich acht Stunden Film dreht und dann auf zwei Stunden zusammenschneidet, hätte es ja sein können, dass gar nichts mehr von unseren zehn Liedern drinnen ist.
Passt Richie Bravo auch in Shows von Florian Silbereisen oder ist er ganz aus der Zeit gefallen?
Zamernik: Ich finde, dass er dorthin passt, aber ich bin der Falsche für diese Frage, weil ich finde, dass alles Mögliche zu Florian Silbereisen passen würde, das dort aber nicht stattfindet. So weit von einem Semino Rossi ist er meiner Meinung nach nicht entfernt. Wenn man genau hinschaut, trennen den Semino vom Richie in vielen Dingen keine Welten, nur ist er halt weiterhin sehr erfolgreich.
Ostermayer: Ein Song wie ,Amore Mio‘ passt ganz eindeutig dorthin, obwohl der Sound in den frühen Achtzigern, in der Drafi Deutscher / Mixed Emotions-Ära verortet ist, hat er etwas absolut Zeitloses. Der Text hat nicht zu viele Wörter und der Refrain auch nicht. Also in der ‚Schlagernacht am Wörtersee‘ wäre er gut aufgehoben …
Lesen Sie das vollständige Interview in der Printausgabe des FAQ 65
Richie Bravo
Best Of – Lieder meines Leben
(San Tropez Records)