Wie schnell es doch von Bekanntheit durch Facebook-Posts bis zu hin zur Anfrage der Lebensverfilmung gehen kann. Obwohl, ein zweiter Fall neben diesem hier, der Stefanie Sargnagel betrifft, fällt wohl niemandem so schnell ein. Aber gut, Sargnagel – Der Film verfilmt auch nicht nur das Leben der Autorin, die ihre unnachahmliche Kombination aus Wiener Underground-Realness und Kunstakademie-Selbstironie mittlerweile auch verdientermaßen durch Erfahrungen als etablierte Berufsschriftstellerin und politische Stimme erweitert, vielmehr inszenieren Sabine Hiebler und Gerhard Ertl einen Wien-Film, der mit Sargnagel als Dreh- und Angelpunkt gleichermaßen die prekäre, Online-Hate-Speech-verseuchte, harte emotionale Arbeit erfordernde Lebensrealität einer weiblichen Kunstschaffenden beleuchtet (ohne dabei Viktimisierung zu betreiben), wie auch die hiesige Film-Bubble gnadenlos veralbert: Von pragmatischen Produzenten über sich eitel überschätzende Regisseure galoppiert hier der Meta-Schmäh vielmals auf Kosten jener, die hinter Kameras stehen, hin zu einer Mimin, die nach Anerkennung lechzt: Hilde Dalik ist neben Michael Ostrowski für die meisten sehr lustigen Szenen haupt- oder mitverantwortlich, ihrer überdrehten Schauspielerin-Figur sieht man die Karrieregeilheit aber durchaus nach – schließlich muss sie sich mit Männern herumschlagen, die sich in dem Ton, den sie angeben, regelrecht notorisch vergreifen, ob böse Absicht oder nicht. Vielleicht spielt sie auch deshalb ebenso Sargnagels beste Freundin im Film – diejenige, die sich kurzerhand wiederum im Film im Film (im Film?) dann auch für die Rolle als sie selbst bewirbt.
Der Kniff ist einfach, vielleicht nicht genial, aber allemal leichtfüßig gekonnt: Wir begleiten der mit allerlei Trubel gezeichneten Produktion eines Films über Stefanie Sargnagel, die Kamera, die ihr folgt, tut so aus Recherche-Gründen, die Verantwortlichen intrigieren unter- und gegeneinander, Fiktion und Realität vertragen sich wider berechtigte Befürchtungen ganz wunderbar. Gelungen ist ein wirklich witziges Mockumentary-Versatzstück, das sich einiges – Fans wissen: nicht das allerneueste – aus Sargnagels Büchern borgt, die Schreibende als Hauptfigur inszeniert, aber nicht als einzige tragende Säule versteht und sich Erzähl-Schablonen dahingehend gut verweigert, dass es durch ungezwungenes Eintauchen in episodenhafte Situationskomik Anfang oder Ende zur Unnötigkeit erklärt. Auch nur gelungen, wenn schlussendlich Nebensache: Achtsam eingestreute Cameos. Ob die Hauptstadt-Kulturstadträtin oder der langjährige Filmmuseums-Direktor ihren Minijob amüsanter zelebrieren, mag selbst entschieden werden. Sargnagels Sprache und Ausdruck selbst ist auf durchzublätterndem Papier zwar noch mehr in Hochform, aber auch der Film, zu dem sie Ja gesagt hat, hat es gut in sich. Er hält sein ähnlich schwer zu klassifizierendes Niveau und ist ein Kinofilm durch und durch: Nicht unbedingt, weil sich nie dagewesene kinematografische Masterclass offenbart, sondern einfach dadurch, dass sich im gemeinsamen Raum am besten lacht.
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SARGNAGEL – DER FILM
Mockumentary, Satire Österreich 2020
Regie, Drehbuch: Sabine Hiebler, Gerhard Ertl; Kamera: Anna Hawlicek, Carolina Steinbrecher; Schnitt: Mathias Writze; Musik: David Öllerer; Ton: Benedikt Palier; Ausstattung: Renate Martin, Andreas Donhauser; Kostüm: Anita Stoisits
Mit: Stefanie Sargnagel, Hilde Dalik (Doppelrolle), Michael Ostrowski, Thomas Gratzer, Margarethe Tiesel, Voodoo Jürgens
Verleih: Filmladen, 98 Minuten
Kinostart: 20. August