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Schwestern ohne Grenzen

First Aid Kit gelingt mit dem Album „Palomino“ ein weiterer großer Wurf.

Foto: Olof Grind

Schweden war immer schon ein guter Boden für Musiker, man denke nur an Abba, The Leather Nun, Roxette, Madrugada oder hunderte von Indie- und Metalbands, die die einschlägigen Bühnen der Welt bespielen. First Aid Kit sind die Schwestern Johanna und Klara Söderberg, die schon als Teenager in Stockholm ihre ersten Songs auf diverse Plattformen stellten und schon damals war es schwer ihr Talent zu übersehen. Im letzten Jahr erschien ihr absolut gelungener Leonard Cohen Tribute „Who By The Fire“, der bei einem Konzert 2017 aufgenommen wurde und spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass sie den Status der Talente abgelegt hatten, denn nur wahre Könner scheitern nicht am großen Vorbild, sondern ergänzen die Originale noch mit einem eigenen Touch.

Ihre Wurzeln haben die Endzwanziger tief im progressiven Country und im Kalifornien der 60er und 70er, genauer gesagt in der ganzen Szene von Joni Mitchell bis Neil Young die alle im Laurel Canyon wohnten und feierten. Als Orientierungspunkt und Säulenheilige darf hier ruhig Emmylou Harris angeführt werden. Auf „Palomino“ gehen First Aid Kit ihren Weg auch auf ihrem fünften Album mit einer bewundernswerten Konsequenz und Klarheit weiter. Unter vielen Höhepunkten sticht das grandiose „Wild Horses II“ heraus. Erzählt wird die Geschichte eines Paares auf einem Trip durch die USA, dass im Wagen diskutiert, wer nun die definitive Version von Wild Horses aufgenommen hat, die Rolling Stones oder die Flying Burrito Brothers mit Gram Parsons.  Der Song wird zu einer garniosen Hommage an Parsons wird, der zwar seit vielen Jahrzehnten in Frieden ruht, dessen Vision der Cosmic American Music aber von jeder Generation neu entdeckt wird und der Emmylou Harris in einem Folkclub entdeckt hat. Hier werden Lakonie, Musikalität und die Melodie zu einer perfekten Mischung.

Foto: Olof Grind

Auch wenn die die Söderbergs ihre Musik auch aus dem Pool dessen schöpfen, was einst den Titel Americana verpasst bekam, wurde „Palomino“ in Stockholm mit dem Produzenten Daniel Bengtson aufgenommen.  Die neuen Songs sind weit von der Verzweiflung und der Trauer der Songs des letzten Albums „Ruins“ entfernt. Ob dafür die intensive Beschäftigung mit Leonard Cohens Werk beigetragen hat, oder sich auch einfach nur die persönlichen Lebensumstände in eine freundlichere Richtung geändert haben ist nicht überliefert. Sicher ist, dass „Palomino“ eine musikalische Großtat ist und das Weihnachtsgeschäft definitiv lange überleben wird.

First Aid Kit: „Palomino“ (Columbia/Sony)
Live: 4.2.2023, Berlin, Columbiahalle;
5.2.2023 Hamburg, Grünspan; 7.2.2023 Paris Casino de Paris

 

| FAQ 68 | | Text: Günther Bus Schweiger
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