„Arbeitete mit Brus, Attersee, Nitsch, Rühm und Roth zusammen“, so der Untertitel eines Nachrufs auf Dominik Steiger, der Anfang des Jahres im Alter von 73 Jahren in Wien gestorben ist. An dieser beiläufigen Erwähnung, die eine Handvoll Freundschaften zum Lebenswerk erhebt, wird deutlich, was auch Peter Weibel attestierte: Steigers „souveränes eigenständiges Werk, das im Ausland hoch geschätzt wird, blieb der österreichischen Öffentlichkeit verborgen“. Gründe dafür lassen sich viele benennen, der charmanteste davon lautet, dass Steiger – anders als seine aktionistischen und literarischen Künstlerfreunde – nicht nur Autor, Maler, bildender Künstler oder Sänger, sondern alles zugleich war, ein „Genie der unsystematischen Bewegung“ und auch ein kreativer Spötter, der den heiligen Ernst der Kunst immer wieder am Bärtchen kraulte. „Selber Schmonzes“ pinselte er etwa Anfang der 1990er Jahre keck auf eine Arbeiterjacke, wohl auch als Antwort auf einen oft gehörten Vorwurf.
Sich selbst sah Steiger als „kleinen Künstler“, das ist durchaus wörtlich zu verstehen. In seinen Schreibheften fitzelte er seine Texte bis zur Unentzifferbarkeit hin. Der Clou daran ist jedoch, dass aus diesem Gefitzel ein Geskizzel wird. Die Schrift wird zur Zeichnung, zum Bild, sie mutiert. Diese 1972 daraus entstandenen Knöchelchen-Zeichnungen folgten einer „Zergliederungsphase“ und stellen eine für Steiger typische Transformation dar, eine seiner vielen Genreüberschreitungen. Er veröffentliche Gedichte und „inventionistische“ Texte, er zeichnete mit Feder seine „Knöchelchen“, er malte auf Küchenpapier Aquarelle, er verfertige Plastiken und Holzmodelle, er bastelte Tixo-Collagen, besprenkelte Teigroller oder transformierte seine Schuhputzfetzen in Gemälde. Zugleich Steiger sang bei Matineen, verfasste Hörspiele, spielte Schallplatten und Audiokassetten ein, sogar ein Video existiert.
Begonnen hat Steiger seinen künstlerischen Werdegang jedoch als Literat. Zuvor brach er sein Studium ab, trat der Fremdenlegion bei, versuchte sich in Frankreich als Bohème und reiste nach Indien. Ende der fünfziger Jahre folgten die ersten Prosa- und Lyrikversuche, noch ganz im Bann des écriture automatique und der Unsinnspoesie. Bald lernte Steiger die Protagonisten der Wiener Gruppe kennen – Konrad Bayer, Oswald Wiener oder Gerhard Rühm. Und – wir befinden uns in der Kleinstadt Wien – auch die Wiener Aktionisten, etwa Günter Brus, Hermann Nitsch und Christian Ludwig Attersee oder den Wiener Galerist Kurt Kalb. Seine launigen Texte in der Festschrift „Die verbesserte große sozialistische Oktoberrevolution“ (1967) öffneten ihm die Tür zu weiteren Publikationen. So erschienen bei Suhrkamp die Prosabände „Wunderpost für Co-Piloten“ (1968) und „Hupen Jolly fahrt Elektroauto. Neue Wunderpost mit 15 Schnappschüssen“ (1969), zwei heute vergriffene Kostbarkeiten für Bibliophile. Steiger selbst war wenig zufrieden mit diesen Büchern, die von Kritikern als „geprägt von subversiver Ironie oder bestürzender Heiterkeit“ bezeichnet wurden, also irgendwo in den Fußstapfen und Ernst Jandl, H. C. Artmann oder Gerard Rühm hinkend. Er verschrieb sich eine Pause und fing an, in seine Schreibhefte zu zeichnen, klein und verschnörkselt, ganz im Sinne des „kleinen Künstlers“. So transferierte er seinen experimentellen, spielerischen Umgang mit der Sprache in ein bildnerisches Werk, das er bald um unzählige Techniken und Zugänge bereicherte.
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
Dominik Steiger
Kunsthalle Krems
15. November 2014 bis 08. Februar 2015