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Sie gibt uns ihre Hand

Die irische Singer-Songwriterin Wallis Bird betritt mit „Hands“ Neuland und bleibt doch ganz bei sich.

Foto: Tobias Ortmann

Wenn die Irin Wallis Bird, die ihren Wohnsitz schon lange nach Berlin verlegt hat, ihr neues Album „Hands“ nennt und ihre Hand das Cover ziert, dann hat das nichts mit Friedens- oder Aufmunterungsbotschaften zu tun, sondern mit ihrem ersten frühkindlichen Trauma. Bei einem Unfall mit einem Rasenmäher wurden ihr alle fünf Finger abgetrennt, wobei vier davon wieder angenäht werden konnten. Der kleine Finger blieb ein Stumpf. Diese Hand zeigt sie nun so offen, wie sie schon ihre ganze künstlerische Karriere angelegt hat. Sie legte immer ihr ganzes Herz in ihre Songs und ihre Auftritte und war für ihr Publikum immer ein offenes Buch. Für Bird ist die Hand am Cover Symbol für Menschlichkeit, Zeit und Verbindungen zwischen Individuen. Man kann es aber auch als Offenheit und ein weiteres „Nehmt und liebt mich so wie ich bin“ deuten.
Schon 2019 beschloss Bird eine Pause einzulegen und sich für eine Zeit von der Bühne zurückzuziehen. Eine schlechte Nachricht für ihre Bookingagentur, denn sie war auf vielen Bühnen – egal, ob mit Soloauftritten oder mit ihrer treuen Band – ein gern gesehener Gast, der immer mehr Publikum anzog. Dass die Pause zu einer Zwangspause werden sollte, störte sie nicht sehr, denn die intensiven Jahre auf den Autobahnen und Flughäfen dieser Welt, zwischen Soundchecks, enthusiasmierten Fans und Backstagekammerln hatten auch einen Preis. Als ersten Schritt stellte sie den Alkohol in die Ecke. Was folgte, war keine Entzugsgeschichte für Revolverblätter, sondern die Geschichte eines Songs. „Vier Tage später ging ich zu meinem Produzenten Philip Milner, um Musik zu machen und meine Welt ging auf wie eine Orchidee.“ Aus dieser Entscheidung entstand dann auch gleich der Song „I Lose Myself Completely“, einer der Höhepunkte auf „Hands“. Nachdem aus dem Sabbatical eine fremdbestimmte Isolation wurde, sah Wallis Bird auch gleich wieder das Positive an der Situation. „Ich fing an nachzudenken. Welche Geschichte erzähle ich? Meine Story war die einer sturen Frau, die alles so gut konnte wie jeder andere auch. Aber ich schlage jetzt ein neues Kapitel auf, ich lasse den Kontrollfreak in mir los, delegiere Dinge und bin absolut zufrieden mit meiner Umgebung, meinen Kollegen. Ich bin ein Passagier, ein Gast in einem Leben. Und das zeigt auch das Album. Es war wirklich eine Gemeinschaftsarbeit und ich liebe es!“
Dem kann man nur beipflichten, denn Lockerheit ist eine neue Qualität im Schaffen von Wallis Bird, die den Songs viele neue Facetten schenkt. Egal, ob bei der kristallklaren Akustikballade „I’ll Never Hide My Love Away“ oder Stücken wie „Go“, wo sie auf alte Sounds aus der Schatzkiste der Achtziger und Neunziger zurückgreift, verleugnet sie ihre Geschichte und ihren Zugang nie. Den Schwung und die Unverkrampftheit, die große Songs ausmachen, verliert sie auf „Hands“ ebenso wenig.

 


Wallis Bird: „Hands
(UMI/Mount Silver Records)

Live: 6. Oktober – Posthof Linz
7. Oktober – PPC Graz

8. Oktober – WUK Wien

 

| | Text: Günther Bus Schweiger
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