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SPARKS

Nach langem Warten ist es endlich soweit. Die grandiose Dokumentation über die Lieblingsband deiner Lieblingsband kommt auf die große Leinwand. „The Sparks Brothers“, die neue Regiearbeit von Edgar Wright, können österreichische Fans bei der Viennale sehen. Im ausführlichen Interview spricht Russell Mael über 50 Jahre Bandgeschichte und aktuelle Filmprojekte.

Russell und Ron Mael © Anna Webber

 

„ … ‚The Sparks Brothers‘, ein Genuss, erzählt die großartige Geschichte dieses anhaltend rätsel-haften Art-Pop-Duos. (…) Sie haben Bands über ungefähr fünf Jahrzehnte hinweg beeinflusst, ohne selbst konventionelle Superstars zu werden. Und sie werden wahrscheinlich bis zum Ende der Zeit weiterhin inspirieren und verwirren – so unerklärlich und langlebig sind Sparks.“
Time Magazine

 

Eigentlich ist die Frage „Wie viele Alben wird es noch von den Sparks geben?“ eine mittlere Frechheit, wenn man sie Künstlern stellt, die den 70. Geburtstag bereits hinter sich haben. Denn eigentlich zielt die Frage darauf ab, wann die Burschen endlich in Pension gehen oder endgültig abzutreten gedenken. Die Antwort aber verrät beinahe alles über die Sparks, dieses Brüderduo aus Kalifornien, das mit seinen Songs und immer neuen Sounds die halbe Popwelt beeinflusst hat: „Bei entsprechendem medizinischen Fortschritt noch 200 bis 300.“

Willkommen in der Welt von Ron und Russell Mael, der Welt der Sparks, die eigentlich nur Optimismus und den Blick nach vorne und den immer neuen Aufbruch zu Ideen und Abenteuern kennt. Seit Jahrzehnten sind sie die ewigen Außenseiter, die als anglophile Hipster im Los Angeles Ende der Sechziger starteten und in der traditionell humorfreien Heimat natürlich auf wenig Gegenliebe stießen. Glam-Rock war gerade auf den britischen Inseln angesagt und Marc Bolan, der junge David Bowie oder Mott The Hoople mit ihrem ständigen Support Act Queen standen hoch in der Gunst der Presse und des Publikums. In diesem Umfeld landeten die Sparks in London und wunderten sich erst einmal über das Wetter, aber während der Tour zum zweiten Album machten sie sich einen Namen und Geschichten über diese etwas seltsame Band aus Los Angeles machten die Runde. Als sie dann auch noch in der legendären TV-Show „The Old Grey Whistle Test“, die sonst Bands wie Jethro Tull vorbehalten war, auftraten, war so etwas wie ein Durchbruch auf der britischen Insel geschafft. Ron Mael ließ sich in dieser Zeit auch seinen Bart wachsen, der an Charlie Chaplin oder Oliver Hardy erinnern soll und der bis heute sein Markenzeichen geblieben ist. Auch die Rollenverteilung der Brüder war zu dieser Zeit schon klar: Hier der stoische Ron an den Keyboards, der mit seinem Oberlehrerblick das Publikum scannt und ganz in der Tradition der Stummfilmstars selten, aber verlässlich, zu Mitteln der Physical Comedy greift. Bei jeder Show kulminiert sein Act dann im Robotertanz an der Bühnenfront, der immer begeistert akklamiert wird. Dem gegenüber steht der exaltierte Russell mit seiner Stimme, deren Umfang immer wieder überrascht und der natürlich auch seine klassischen Entertainerqualitäten auspackt. Mit diesem Grundgerüst ausgestattet, starteten sie ihre Karriere, die oft nach oben, und beinahe ebenso oft nach unten führte, die aber nie aufhörte und mit jedem Album für Überraschungen sorgte, und es mag nicht jeder Song die Qualität zum Klassiker haben. Aber eines waren die Sparks in all den Jahren nie: langweilig oder sich selbst wiederholend.

Sparks, Indiscreet Tour, 1975

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2020 und zu „Lawnmower“, einem Song ihres Albums „A Steady Drip, Drip, Drip“. All die Jahre haben nichts geändert, die Sparks sind auf der Höhe ihrer Schaffenskraft und so witzig, kindlich und innovativ wie immer. Erzählt wird die Geschichte eines Hausbesitzers, der eine Sucht nach seinem Rasenmäher aufbaut und seiner Frau, die gegen das Objekt keine Chance hat. Das alles verpackt in einen Song und vor allem einen Refrain, der sich in das Langzeitgedächtnis fräst. Ein wunderbares Beispiel für eine Band ist, die immer an ihr Schaffen glaubt und auch ihr Leben nach ihrer Kunst ausrichtet.

Jahrelang gab es Gerüchte, dass die Brüder an einem Dokumentarfilm über die Bandgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart mitarbeiten, aber die Ankündigungen kamen und gingen. Der Film drohte zum Running Gag zu werden -– aber heuer war es soweit: Beim Sundance Film Festival feierte The Sparks Brothers Premiere. Dann fing der Film an, auf den Festivals seine Runden zu drehen und jedes Mal waren die Kritiken euphorisch. Auch auf der heurigen Viennale vom 21. bis 31. Oktober wird er zu sehen sein, es kann nur empfohlen werden, sich dieses Juwel auf der großen Leinwand nicht entgehen zu lassen.

Sparks. Ron & Russell Mael, Jim & Earle Mankey, Harley Feinstein, London underground, 1972. Foto: Republic Media

Edgar Wright, Regisseur von Shaun of the Dead, The World’s End und Baby Driver, dessen neuer Spielfilm Last Night in Soho Mitte November anläuft, hat schon bewiesen, dass er über einen Sinn für pointierten und – wenn notwendig – auch handfesten Humor verfügt und war so als Fan und Bewunderer eine durchaus naheliegende Wahl als Führer durch die Welt der Sparks. Er erzählt mit Hilfe der Mael-Brüder und einer Schar von berühmten Fans und Musikern die Geschichte chronologisch. Die unglaublich trockenen, witzigen und weisen Kommentare der Brüder sind dabei ein derart grandioser Leitfaden, dass Regisseur Wright sich geradezu genötigt sah, herausragendes Archivmaterial und ebensolche Kommentare zu verwenden, denn Mittelmäßigkeit fand bei den Brüdern keine Zustimmung. Wenn man Russell zuhört, wie er erzählt, wie seine Mutter die beiden Söhne ins Auto gepackt hat und den ganzen Weg nach Las Vegas fuhr, damit die Buben die Beatles sehen können, erahnt man die Liebe in der Familie. „We had a cool mother“, meint Russell lakonisch, aber voller Bewunderung und mit Momenten wie diesen sind diese 140 Minuten voll. Die Zeitreise durch die Jugend und mittlerweile 25 Alben, einen Welthit („This Town Ain’t Big Enough for Both of Us“), künstlerische Triumphe, kommerzielle Niederlagen und Erfolge, vollkommene Ablehnung, den üblichen Geschichten mit Plattenfirmen, gescheiterte Filmprojekte und die wachsende Bewunderung von Kollegen ist atemberaubend und vor allem ein Denkmal an die eigene Vision, den Glauben an sich selbst und Kreativität an sich.

Russell und Ron Mael, London 2013, Foto: Magdalena Blaszczuk

Nach Jahren am Rande des Filmbusiness, die sich in ein paar Beiträgen zu Soundtracks zu Buche schlugen und sogar einem gescheiterten gemeinsamen Projekt mit Jacques Tati, sind die immer schon in Bildern denkenden Sparks jetzt im Zentrum der Kinoindustrie angekommen. Neben der Dokumentation kommt im Dezember ihre Zusammenarbeit mit Leos Carax in die Kinos: Annette firmiert als Musical, aber der Begriff ist für die Songs der Mael-Brüder doch etwas kurz gegriffen. In den Hauptrollen brillieren der immer coole Adam Driver als aggressiver Comedian, dessen Karriere bergab geht und Marion Cotillard als charismatische Opernsängerin. Auch wenn die Sparks nach vielen Anläufen im Film angekommen sind, lassen die Brüder auch ihre Kernkompetenz nicht links liegen: Im April 2022 ist eine Europatour gebucht, die sie auch nach Paris, Berlin und Hamburg führen wird.

Russell und Ron Mael © Anna Webber

Biopic, Filmmusical, 50. Jubiläum, neues Album, Welt-tournee – Russell Mael spricht über die vielleicht betriebsamste Jahr in der Geschichte von Sparks. Und darüber hinaus über die Leidenschaft der Brüder für das europäische Kino, Gartenzwerge, das Streben nach musikalischer Inno-vation … und Zukunftsmusik.

Wie fühlt es sich an, als Band fünfzig zu werden? Was für ein kultiges Alter.

Russell Mael: Nun ja, das können viele von sich behaupten. Nicht viele können hingegen behaupten, Musik zu machen, die noch immer relevant ist. Es gibt ja viele Acts, die eine derart lange Karriere haben – nur darauf stolz zu sein, dass du noch existierst, ist vielleicht nicht genug. Wenn das, was du jetzt gerade machst, lebendig und vorwärtsdenkend ist – das ist es, was zählt.

Seid Ihr ein Fall von „Wir haben es geschafft – entgegen allen Erwartungen“?

Gewissermaßen vielleicht, es kommt darauf an, was „es geschafft haben“ bedeutet, wie man Erfolg definiert. Wenn die Tatsache, fünfundzwanzig Alben gemacht zu haben und stolz auf das aktuelle Schaffen zu sein – und die Überzeugung zu haben, dass das Leute auch wirklich hören sollten –, dann können wir, glaube ich, mit unserer Situation richtig glücklich sein. Wenn dann noch zwei Filme erscheinen, eine Dokumentation über Sparks von Edgar Wright und ein Filmmusical von Leos Carax mit Adam Driver und Marion Cotillard, das Cannes eröffnet … das alleine wäre ja schon eine Karriere, mit der man glücklich sein könnte. Für eine Band, die so lange besteht wie unsere, ist es ziemlich einzigartig und selten, nach so einer langen Zeit so viel Aufmerksamkeit zu bekommen.

Eure letzten beiden Alben haben Euch auf einem kreativen Höhepunkt gezeigt und den Respekt erbracht, den ihr schon immer verdient habt.

Ja, naja, es ist alles relativ. Der Respekt ist schon lange da gewesen. Die Leute haben Sparks und unser Werk irgendwie im großen Stil neu abgewogen. Vor allem Edgar Wright, der in seiner Doku eine These aufstellt: Sparks sei diese einzigartige Erscheinung in der Popmusik, die sich dem normalen Karrierebogen einer Band entzieht – es geht aufwärts, dann kommt vielleicht ein riesiger Hit, dann hast du deine Blütezeit, dann geht es in einen Abwärtstrend. Oder du trittst kreativ auf der Stelle, machst musikalisch oder textlich nichts mehr Provokantes. Er will im Film zeigen, dass Sparks quasi die Antithese dazu ist. Diese Unterstützung von bekannten Personen wie Edgar Wright oder Leos Carax ist etwas wirklich Besonderes für uns …

Lesen Sie das vollständige Interview in der Printausgabe des FAQ 62

Interview: Peter Reynolds / The Interview People
Übersetzung: Jakob Dibold

 

THE SPARKS BROTHERS
UK/USA 2021 – Regie: Edgar Wright
Kamera: Jake Polonsky,
Schnitt: Paul Trewartha
Mit: Ron Mael, Russell Mael, u.a.
Verleih Focus Features (US), Universal Pictures (International)

ANNETTE
Frankreich/USA/Mexiko/Deutschland/Belgien 2021
Regie: Leos Carax, Drehbuch: Leos Carax, Ron Mael, Russell Mael
Musik: Ron Mael, Russell Mael, Kamera: Caroline Champetier, Schnitt: Nelly Quettier
Mit: Adam Driver, Marion Cotillard, Simon Helberg,
Devyn McDowell, Russell Mael, Ron Mael
Verleih Focus Features (US), Universal Pictures (International)

 

| FAQ 62 | | Text: Günther Bus Schweiger
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