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Status Quo

Text: Lena Style | Fotos: Modus Vivendi

Das Trio hinter dem Wiener Label Modus Vivendi über Chancen und Zukunft der Modeindustrie.

Der Modus Vivendi, so sagt der Duden, ist eine Form erträglichen Zusammenlebens zweier oder mehrerer Parteien. Auch die Modewelt ist gerade dabei, sich ihren Modus Vivendi in unserer neuen Normalität zu erkämpfen. Der Ruf nach mehr Langsamkeit und Wertschöpfung wurde in den letzten Monaten lauter und erreichte diesmal auch die Big Player der Industrie. Für Charlotte Jakoubek, Monika Bacher und Vera Sperl sind diese Werte längst selbstverständlich. Bereits seit Ende der achtziger Jahre etabliert sich das Modelabel in der Wiener Innenstadt und international, ihre Kleidung sehen die drei als handgemachte modische Lebensentwürfe. Im neuen Flagship-Store Domus Vivendi wird nicht nur live gearbeitet und produziert, er ist vielmehr eine Einladung, Mode zu begreifen. FAQ führte mit den drei Expertinnen ein Gespräch über den Status Quo der Modewelt.

FAQ: Charlotte legte bereits im Jahr 1988 den Grundstein für Modus Vivendi. Welche Veränderungen hat die Modewelt seitdem durchlebt?

Monika: In den Achtzigern gab es kein umfangreiches Angebot an guter, leistbarer Mode. Sicher entstand aus diesem Mangel auch das heutige Überangebot. Als wir anfingen, war die Zeit des großen U-Bahnbaus auf der Mariahilfer Straße, wir waren mit unserem Laden gleich ums Eck. Jenseits von Gerngross und Herzmansky gab es in Sachen Mode wenig Angebot. Das Straßenbild bestimmten ungarische Schmuck- und Elektrogeschäfte. Es gab eine überschaubare österreichische Modeszene und Fast-Fashion-Ketten waren in Öster-reich noch nicht vorhanden. Mittlerweile ist die Mariahilfer Straße mit ihrer Fußgängerzone die Einkaufsstraße Nr.1 und große Modeketten sind das bestimmende Thema.

Charlotte: Das enorme Preisdumping seit den Achtzigern in der Modeindustrie ist unglaublich. Immer billiger und immer mehr, Mode wurde zum Wegwerfprodukt, das hätte damals niemand gedacht.

Vera: Doch rund um diese Massenwaren auf der Mariahilfer Straße findet man heute in den angrenzenden Bezirken eine lebendige Designerszene und es wird versucht, das Handwerk in Wien weiter aufrecht zu halten. Als kleines Unternehmen ist es schwierig, sich am Markt zu positionieren, aber es gibt einen Bedarf an solchen Geschäften. Das Straßenbild in Wien wäre äußerst traurig, wenn nur mehr große Ketten überleben würden.

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FAQ: Einige große Modemarken haben bereits entschieden, sich nicht mehr dem viel zu schnellen Rhythmus der Industrie zu unterwerfen – bis zu sechs Kollektionen im Jahr seien einfach zu viel. Wie seht ihr das? Hat dieser etwas entschleunigte Ansatz Zukunft?

Monika: Ich denke, es wird sich hier sehr vieles ändern. Einerseits am Tempo – bis zu sechs Kollektionen pro Jahr und der ganze Zirkus rundherum sind völlig unnötig. Andererseits wird es auch kein Zurück zum klassischen Prozedere von Sommer-/Winterkollektion geben können.

Vera: Eigentlich wurde schon vor Corona zaghaft versucht, etwas an dieser Kurzlebigkeit der Mode zu ändern. Doch der Konsument ist verwöhnt und bequem, und hier als kleines Label gegen den Strom zu agieren, ist schwierig. Ein wichtiger Ansatz wäre es, Non-Season-Produkte zu etablieren. Weg von Mode, die nicht mehr nur eine Saison verkauft werden kann. Gute Produkte haben kein Ablaufdatum und sollen auch mehr als nur eine Saison dem Käufer gefallen.

Monika: So wie Marina Abramovic´ sagte: „Die meisten Künstler haben eine gute Idee oder höchstens zwei.“ So ist es auch bei Designern. Burberry hat den Trenchcoat, Armani hat seine fließenden, schlichten Anzüge. Jil Sander ihren Pure Look. Diese Dinge herauszuarbeiten, zu perfektionieren und zu modernisieren und – jenseits der Jahreszeiten und Jahreszahlen – zu präsentieren, halte ich für sehr sinnvoll. Das verschafft dem Konsumenten Überblick. Es geht um eine Art neue Ordnung im Modebusiness. Ein Aufräumen mit unnötigem Überfluss hin zu einer durchaus weiterhin großzügigen und modernen Art und Weise, wie man mit Materie umgeht. Wertvolles wirft man nicht weg.

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FAQ: Modus Vivendi ist ein Label, das man in die Kategorie Slow Fashion einstufen kann. Habt ihr in den letzten Monaten dennoch irgendeinen Aspekt in eurem Konzept entdeckt, den ihr gerne ändern würdet?

Vera: Wir erleben, dass der Kunde nun mehr denn je über das Produkt, das er kauft, Bescheid wissen möchte. Hier gibt es sicher Verbesserungsbedarf. Wir vermitteln leider noch viel zu wenig, welche Wertschätzung hinter unserer Mode steckt. Für uns ist klar, dass wir jede Werkstatt mit der wir arbeiten, gut kennen, dass wir bevorzugt heimische Stoffe verarbeiten und jedes Stück durch unsere Hände geht, bevor es in den Verkauf gelangt. Wir möchten und müssen mehr die Geschichte hinter unseren Stücken erzählen und somit dem Kunden vermitteln, welch besonderes Teil er erwirbt.

FAQ: Wie weit geht ihr beim Thema Transparenz?

Vera: Bei uns im Geschäft kann man live erleben, wie wir produzieren. Wir suchen uns unsere Lieferanten genau aus und versuchen aus möglichst kleinen Strukturen zu kaufen, wie von österreichischen Webereien im Mühlviertel.

Monika: Es ist eine große Herausforderung, das gut zu kommunizieren. Damit meine ich, lässig zu informieren, ohne mit erhobenem Zeigefinger zu moralisieren.

Vera: Ich finde, dass ein Lieferkettengesetz hergehört, das Unternehmen dazu verpflichtet, in der gesamten Wertschöpfungskette Sorgfalt walten zu lassen. Hier haben die Corona-Krise und die breite mediale Berichterstattung darüber, wie insbesondere die Arbeiterinnen der Modeindustrie global davon betroffen sind, sicherlich als Katalysator gewirkt. Zynisch ist natürlich, dass das Virus dem Thema nun die nötige Brisanz zu verleihen scheint. Denn seit Jahren wissen wir um die Auswirkungen, die die Produktion konventioneller Mode global hat.

FAQ: Letztes Jahr gab es einen Relaunch eures Labels.

Charlotte: Beim Relaunch ging es hauptsächlich um die Internationalisierung unsere Marke. Wir haben uns mit unserer USP, den Strickprodukten, intensiv beschäftigt und so wurde eine eigene Kollektion für den internationalen Markt entwickelt. Die Kollektion „Keypiece“ umfasst unsere bewährtesten Produkte, von der Mütze bis zum Pullover. Der charakteristische melierte Strick ist das Markenzeichen des Labels. Von Anfang an perfektioniert, entsteht durch Zusammenführen von vier verschiedenfärbigen Wollfäden ein stets neues Kolorit und die spezielle, einzigartige Oberfläche. So erreicht man eine nahezu unendliche Farbpalette.

FAQ: Zusätzlich habt ihr im Mai ein neues, größeres Geschäftslokal in der Westbahnstraße 5a bezogen.

Charlotte: Es ist ein Concept Store mit dazugehöriger Werkstatt, den wir unter dem Namen Domus Vivendi betreiben. Zusätzlich zu unserer Eigenmarke werden hochwertige Mode und Designprodukte angeboten.

Vera: Wir freuen uns, neben unserer Eigenmarke auch Labels wie Rosa Mosa, Eva Blut, Susanne Bisovsky, Henrik Vibskov, Matrix und noch viele mehr anbieten zu können.

Monika: Wir wollen einen modernen Umgang mit wertvollen, luxuriösen Produkten erlebbar machen. Dazu gehört, dass wir unsere Geschäftspartner sehr bewusst auswählen. Wichtig dabei ist die Art der Produkte, wie sie entstehen, wie sie sich anfühlen, wie sie riechen, wie man damit sein Leben feiner und schöner macht.

www.modusvivendi.at

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