Die Namen von Fotografen, die zu Werbezwecken Szenen aus einem Film reinszenieren oder Schauspieler am Drehort nach eigenen Ideen ablichten, sind im Normalfall eher unbekannt. Nur wenige dieser Fotokünstler haben es zu Prominenz in Form von Ausstellungen oder Buchveröffentlichungen gebracht, etwa Steve Schapiro, der am Set von Martin Scorseses Taxi Driver ikonische Film-Stills von Robert De Niro anfertigte. Die Ausstellung „Film-Stills. Fotografien zwischen Werbung, Kunst & Kino“, die ab 4. November in der Albertina gezeigt wird, widmet sich dieser im wahrsten Wortsinn speziellen Art der Fotografie. Bereits der Untertitel verweist dabei auf eine mögliche Ursache für die Anonymität der meisten Still-Fotografen: Einerseits sitzen sie zwischen den Stühlen von Kommerz und künstlerischem Anspruch, andererseits werden viele der Aufnahmen eher mit der Vision des Regisseurs in Verbindung gebracht als mit der des Fotografen. Darüber hinaus sind Still-Fotografien manchmal nicht als eigenständige Werke erkennbar, sondern vermitteln den Eindruck, als seien sie Ausschnitte aus dem Film. Höchste Zeit also, diese Missverständnisse gerade zu rücken.
Kuratiert von Walter Moser umfasst die in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum entstandene Schau Arbeiten von den 1910er Jahren bis in die 1970er Jahre und beinhaltet somit unter anderem Strömungen wie Piktorialismus, Expressionismus oder Neorealismus. Die Fotografinnen und Fotografen mögen großteils unbekannt sein, doch viele der Aufnahmen sind zu Ikonen geworden: Etwa die unheilvolle Dreieckskonstellation, in der ein anonymer Fotograf Werner Krauss, Conrad Veidt und Lil Dagover am Set von Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1919) inszenierte. Oder jenes Bild, auf dem ein – ebenfalls anonymer – Fotograf Robert Mitchum in seiner Rolle als psychopathischer Wanderprediger in Charles Laughtons The Night of the Hunter (1955) mit Fokus auf die tätowierten Hände ablichtete. Set-Momente zwischen Spontanität und Inszenierung zeigen beispielsweise Stills zu Fellinis Otto e mezzo (1963, Fotograf: Paul Ronald) oder Godards Pierrot le fou (1965, Fotograf: Georges Pierre).
Obwohl Film und Fotografie Medien sind, in denen das Bild im Mittelpunkt steht, sind sie doch fundamental verschiedene Kunstformen. Wie stark sich die Inszenierung für den Fotoapparat von jener für die Filmkamera unterscheidet, betont auch Kurator Moser im Katalog zur Ausstellung: „Während Filmemacher Szenen im Hinblick auf zeitliche Chronologie und Bewegung konzipieren, arrangieren Fotografinnen und Fotografen Film-Stills als statische Tableaus, deren Narration nicht über eine bestimmte Zeitdauer entfaltet wird, sondern sich in einem konkreten Zeitpunkt verdichtet.“ So mancher Besucher wird wohl nach Verlassen der Ausstellung Lust bekommen, sich die entsprechenden Filme wieder einmal anzusehen. Somit erfüllen die Film-Stills ihren Werbezweck auch noch nach Jahrzehnten. Und sie stehen – endlich – im Rang von Kunstwerken.
Film-Stills. Fotografien zwischen Werbung, Kunst & Kino.
4. November 2016 – 26. Februar 2017