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Stille Landschaften

Fotos: Belvedere

Komplexität auf den zweiten Blick: Ugo Rondinone gestaltet den Glaspavillon des Belvedere 21

Ugo Rondinone, NUDE (XXX), 2010. Foto: Stefan Altenburger. Courtesy studio rondinone

Der in den jedenfalls interessanten sechziger Jahren geborene Schweizer Künstler Ugo Rondinone vertrat die Eidgenossen zwar schon 2007 bei der Biennale in Venedig, im Hinblick auf seine Arbeit hätte jedoch auch deren letztjähriges Leitmotto treffender kaum sein können: „May you live in interesting times“ wird bei Rondinone noch einmal eindeutiger eine Art rhetorischer Verweis darauf, dass Zeit und Zeiten ja gar nie uninteressant sein können. Wenn „Akt in der Landschaft“, so die Betitelung von Rondinones erster musealer Einzelausstellung in Österreich, den Hauptraum des Belvedere 21 einnimmt, ja für sich beanspruchend neu strukturieren wird, ist die Sensibilität für das Zeitliche gleich mehrfach inhärent.

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Ugo Rondinone, Installation thank you silence, M – Museum Leuven 2013; Courtesy Ugo Rondinone

Schon mit den beiden klassischen Genrebegriffen Akt und Landschaft öffnet Rondinone eine riesig-weite historische Bezugsdimension, wobei er beide gekonnt ins Kontemporäre umdeutet: Seine 14 „nudes“ aus Wachs sind Abgüsse von Tänzerinnen und Tänzern in Zeitpunkten des Stillstands, der Ruhe, und laufen derart der ursprünglichen Bedeutung von „actus“ – Bewegung – scheinbar zuwider. Sie offenbaren Nähte, Bruchstellen, sind mimetisch und doch artifiziell. Die monumentalen (vier Meter hoch, siebzehn breit), strengförmigen „landscapes“ bestehen tatsächlich aus Erde und verdeutlichen so die Gemachtheit von Landschaft im Gegensatz zum Natürlichen. Gleichzeitig fungieren sie als den Raum teilendes und dessen Belichtung veränderndes verweisendes Erhabenes, was sie im Zusammenspiel der obendrein bereits in sich unheimlich anmutenden Menschengestalten die Epoche der Romantik evozieren lässt. Die Grenze zwischen Natur und Künstlichkeit verschwimmt mit der an der Wand befestigten Skulptur „rain cloud“ aus Sand, Kies und Beton – aus deren realen Pendants in wiederkehrenden Zyklen Wasser fallen – und der aus vergoldeter Bronze bestehenden „Sun at 12 am“ weiterhin; nachdem die das Ensemble ergänzende Textebene „Poems on paper“ auch noch Luft mit in den Kosmos holt, finden sich alle vier Grundelemente in einer musealen Assemblage der Raumzeitlichkeit wieder.

Die Werke verhandeln Auslotungen des Zeitbegriffs aber nicht nur inhaltlich, sondern auch direkt als vom Künstler hergestellte Objekte: Gemäß seiner typischen Arbeitsweise setzt Rondinone raumspezifisch nicht ausschließlich neue Arbeiten zueinander in Verhältnis, sondern kombiniert ältere, rezente und gänzlich neu konzipierte Stücke zu einem großen Ganzen, das sich der Datierungen seiner einzelnen Bestandteile enthebt. Interessante Zeiten also, dann jedoch sehr wohl von Ende April bis Ende September begrenzt.

Ugo Rondinone. Akt in der Landschaft

Belvedere 21

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