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Surreale Magie der Ränder

Text: Schöny Roland | Fotos: Albertina
Helen Levitt, New York, 1940

Bemerkenswert, wie bekannt doch manche der Aufnahmen erscheinen. Ihnen haftet etwas Magisches an, wirken viele von Ihnen in all der festgehaltenen Spontaneität doch beinahe theatralisch. Dabei sind es häufig Kinder, die vor der Fotokamera agieren und manchmal ins Mysteriöse übergehende Bewegungen ausführen. Dass sie sich wie selbstverständlich an der Schwelle zu einer anderen, zunächst schwer begreiflichen Sphäre bewegen, macht diese Fotografien so fesselnd. Viele der festgehaltenen Szenen haben sich mittlerweile ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben.

Man hat daher das Gefühl, zumindest einige dieser Bilder einmal schon gesehen zu haben. Ihre Schauplätze liegen in den Straßen der sozial benachteiligten Quartiere im New York der 1930er Jahre. Die Fotografien führen nach Brooklyn, an die Lower East Side und – weiter im Norden – nach Spanish Harlem. Das Alltagsleben in diesen ohnehin schon armen Vierteln wirkt durchzeichnet von den Nachwirkungen des Wall Street Crash von 1929, die Stadtlandschaften trostlos und stellenweise wirklich heruntergekommen.

Helen_Levitt_20.pngHelen Levitt, New York, 1945, Silbergelatinepapier, Albertina, Wien. Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Film Documents LLC/Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln

  

Dies ist die oft bedrückende Folie im Hintergrund, in der sich der Niedergang der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung widerspiegelt. Die Stadtumgebung legt die dem Kapitalismus immanente Krise offen, welche die Gegensätze zwischen den irgendwo anders lebenden Reichen und der teils unerträglichen Armut an den Peripherien der Metropole weiter verschärft. Die Darsteller im Vordergrund aber, auf dem vernachlässigten Sidewalk, vor Feuertreppen und schäbigen Hauseingängen, auf abgenützten Fensterbänken sitzend oder in zerschlissenen Kleidern vor Rohziegel-Hausfassaden posierend, sind zumeist Kinder. Diese durchgängige Präsenz von Kindern wurde geradezu typisch für die frühen, bald berühmten Arbeiten der Fotokünstlerin Helen Levitt.

Als leidenschaftliche Beobachterin des New Yorker Straßenlebens rückte Helen Levitt sie in der für ihre Fotografie signifikanten Art in den Fokus: in einem Zwischenspiel aus Dokumentarischem und Inszenierung. 1913 in Brooklyn geboren, hat Levitt sich sehr früh dem Medium der Fotografie verschrieben und sich mit dessen Eigenheiten und Möglichkeiten von ihren Jugendjahren an auseinandergesetzt. Im Zuge ihrer Tätigkeit für einen Porträtfotografen stieß sie bereits mit 22 auf Henri Cartier-Bresson, der sich spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg als eine der große Leitfiguren des Genres erweisen sollte. Bald im Besitz einer eigenen Leica, begann Levitt mit ihren ersten Aufnahmen des Lebens in den Straßen des multiethischen Viertels Bensonhurst im südwestlichen Brooklyn. Ihr Interesse, das soziale Leben draußen ins Bild zu setzen, führte schnell zur Begegnung mit dem Schriftsteller und Fotografen Walker Evans, der mit seinen Aufnahmen einen formal präzisen Sozialrealismus etabliert hat. Levitt arbeitete ab 1938 als dessen Assistentin. Heute gilt sie als eine der wichtigsten Figuren der Straßenfotografie. Zudem positionierte sie sich mit Streifen wie „In the Street“ oder mit der in der Rubrik Dokumentarfilm für einen Oscar nominierten Produktion „The Quiet One“ über einen stillen, verhaltensgestörten afro-amerikanischen Jungen, als Filmemacherin. Seit den späten 1950er Jahren ist sie – mit Ausbreitung des damals noch neuen Mediums – eine der frühesten Vertreterinnen der New Color Photography …

Vollständiger Artikel in der Printausgabe. 

HELEN LEVITT

Die Ausstellung ist von 12. Oktober 2018

bis 27. Jänner 2019 zu sehen.

www.albertina.at

Kuratorenführung

Mittwoch, 12. Dezember, 17.30 Uhr

mit Dr. Walter Moser

Katalogbuch: Helen Levitt

Herausgeber: Walter Moser, Albertina, Wien

Texte: Duncan Forbes, Astrid Mahler, Walter Moser,

Christina Natlacen, Bert Rebhandl

Design: Manuel Radde

ISBN 978-3-86828-876-6 2018 

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