Jan Fabre ist einer der letzten Grenzgänger: von Performance über Tanz bis zu bildender Kunst reicht sein umfangreiches Werk. Beim heurigen ImPuls-Tanz Festival ist dem Gesamtkünstler ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Neben einer Solo-Performance zur Festival-eröffnung und einer Ausstellung im Leopold Museum wird die Weltpremiere seines neuesten Theaterstückes im Volkstheater zu erleben sein. Und er gibt eine Master Class im Max Reinhardt Seminar.
Lerne zu sterben und du wirst lernen zu leben
Unzählige Anekdoten ranken sich um Jan Fabre: von seinen Nahtoderfahrungen über die Schlafstörung bis zu den Kunstwerken, für die er Blut, Sperma und Knochen verwendet. Doch wer steckt hinter diesen Erzählungen? 1958 in einem armen Viertel Antwerpens geboren, beginnt Fabre früh zu zeichnen, obwohl Kunst im Elternhaus keine Rolle spielt. Er macht eine Ausbildung zum Schaufensterdekorateur und studiert Kunst, schraffiert ganze Räume mit BIC-Kugelschreibern. Schon damals treibt ihn ein Thema um: der Tod. Nicht verwunderlich bei den Erfahrungen, die er selbst macht. Sein Bruder stirbt noch vor seiner Geburt, dieses Ereignis prägt das katholische Elternhaus. Fabre selbst fällt zwei Mal ins Koma: einmal mit 18 nach einer Mutprobe, einmal mit 23 nach einem Straßenkampf. Die Nahtoderfahrung prägt ihn, auch wegen der daraus resultierenden Schlafstörung. Bis heute schläft er kaum, nutzt die Zeit für seine Kunst, die Grenzen des Körpers erkundet und Transformationen untersucht. Insekten, Puppen und Larven überall, immerhin war sein Großvater der berühmte Insektenforscher Jean-Henri Fabre. Nach einem Besuch der flämischen Meister beginnt er sich zu schneiden und das Blut zu verwenden. Schließlich entdeckt er auch die Bühne für sich, seine Aufführungen ab den achtziger Jahren schlagen ein wie eine Bombe. Doch die radikalen Abende provozieren auch Hass: Seine Tür wird mit Scheiße beschmiert, Fabre auf offener Straße verprügelt. Auch der Tod begleitet ihn weiterhin. Als er 2004 nach Malaysia reist, stirbt in Belgien sein Vater, der Sohn kommt nicht mehr rechtzeitig zurück. Wenige Monate danach folgt die Mutter. „Lerne zu sterben, und du wirst lernen zu leben“, heißt es in seinem „Requiem einer Metamorphose“. In Antwerpen errichtet er in einer ehemaligen Schule ein Studio für seine Kompanie Troubleyn – benannt nach der Mutter –, das zum Künstlerhafen wird. In der Küche verewigt sich die Künstlerin Marina Abramovic´ mit Schweineblut, die Decke ziert ein Gemälde Luc Tuymans. Künstler, die das Studio besuchen, bittet Fabre stets um einen Beitrag. So untersucht er bis heute furchtlos immer noch eines: die Verwundbarkeit des Menschen.
Herr Fabre, vor zwanzig Jahren waren Sie das erste Mal zu Gast bei ImPulsTanz. Wie fühlt es sich an, nun hierher zurückzukommen? Was hat Sie bewogen, die Weltpremiere Ihres neuen Stückes bei ImPulsTanz zu zeigen?
Man entscheidet sich ja nie für Städte, man entscheidet sich immer für Menschen. Und Karl Regensburger, der Leiter von ImPulsTanz, ist ein Mensch voller Leidenschaft und Überzeugung. Wir kennen uns seit zwanzig Jahren, kämpfen und diskutieren. Aber zugleich gibt es ein tiefes künstlerisches Vertrauen. Und das ist der Grund, warum ich die Weltpremiere bei ImPulsTanz mache.
Gibt es eine spezielle Beziehung des Wiener Publikums zu Ihrem Werk?
Ja, mich verbindet eine lange Tradition mit Wien. Schon in den achtziger Jahren habe ich meine Werke hier gezeigt. Ich habe mir ein Publikum aufgebaut, das meine künstlerische Sprache spricht. Die Menschen sind mit meiner Kunst vertraut, mit meinen Theaterarbeiten, meinen Tanzwerken …
Lesen Sie das Interview mit Jan Fabre im aktuellen FAQ.
Jan Fabre
STIGMATA – Actions & Performances 1976–2016
07. Juli bis 27. August 2017
Leopold Museum
Jan Fabre
I am a Mistake. A new solo performance
13. Juli, 21:30 Uhr
Leopold Museum
Uraufführung
Jan Fabre / Troubleyn
Belgian Rules / Belgium Rules (Uraufführung)
18./20./21. Juli, 20:00 Uhr
Volkstheater
Jan Fabre & Teaching Group
Master Class
From Act to Acting – Guidelines for a Performer in the 21st Century
24.07.–02.08.2017
Max Reinhardt Seminar