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Theater aus vier Kontinenten

Die Theaterwelt zu Gast in Wien heißt es bei den Wiener Festwochen wieder ab 24. August. Nach der umjubelten Frühjahrsausgabe sind nun auch im Spätsommer mitreißende Aufführungen aus allen Weltgegenden zu erleben.

La Trilogie des Contes Immoraux pour Europe © Christophe Raynaud de Lage

Wiener Festwochen? Nein, Wiener Festmonate heißt die Devise im Jahr 2021. Nachdem im Frühjahr die Rückkehr internationaler Gastspiele auf die Bühnen der Stadt mit Aufatmen und großer Begeisterung gefeiert wurde, stehen nun von August bis November weitere Highlights aus vier Kontinenten auf dem Programm.

La Trilogie des Contes Immoraux pour Europe © Christophe Raynau de Lage

Komplizen im Zuschauerraum

Gleich zu Beginn kann man sich auf ein wahres Meisterwerk freuen, wenn Phia Ménard La Trilogie des Contes Immoraux (pour Europe) zeigt (24. – 26. August, Halle E im MQ). 2019 lieferte die Künstlerin so etwas wie das heimliche Herz des Festivals, als sie auf der Bühne ein gewaltiges Schutzhaus für Europa nur aus Pappe errichtete. Die Zuseherinnen und Zuseher verfolgten den Bau gebannt, gaben Ratschläge und jubelten, wenn eine neue Wand hielt. Es entstand etwas Seltenes im Theater: Komplizenschaft. Nun zeigt die Künstlerin die zur Trilogie erweiterte Produktion, in der sie die Fundamente eines geeinten Europas exponiert. Drei Stunden lang entsteht und vergeht Europa – und erneut wird das Publikum zum Zeuge.

La Trilogie des Contes Immoraux pour Europe © Christophe Raynaud de Lage

Altamira 2042 © Nereu Jr.

Naturzerstörung im Mittelpunkt

Wenig später geht es in eine Weltgegend, die auf ganz andere Art und Weise bedroht ist als Europa. Gabriela Carneiro da Cunha leitet ein Forschungsprojekt, in dem sie Eingriffe in die Flusslandschaften Brasiliens untersucht. In Altamira 2042 gestaltet sie eine performative Installation zu einem Dammbau am Amazonas, der zu Zerstörung von Regenwald und Bedrohung indigener Gruppen führt (25. – 31. August, Halle G im MQ). Aus Japan reist Toshiki Okada an, bei den Festwochen gern gesehener Gast. Ausgangspunkt von Eraser Mountain (19. – 21. November, Halle G im MQ) ist die künstliche Anhebung eines Küstengebiets nach dem Tsunami von 2011 – und so schließt sich ein gedanklicher Kreis zu Carneiro da Cunha. Ebenfalls mit Japan beschäftigt sich Michikazu Matsune. Der in Japan geborene, in Wien lebende Performer gestaltet in Mitsouko & Mitsuko eine Performance über Japonismus und kulturelle Zuschreibungen aller Art (25. – 28. August, Kasino am Schwarzenbergplatz).

Mitsouko & Mitsuko © Susanna Hofer

Country statt Wagner

Noch im August meldet sich auch Nordamerika zu Wort, wenn das New Yorker Nature Theater of Oklahoma endlich wieder in der Stadt ist! In Wien ist die Truppe durch ihr mehrteiliges Epochal-Werk Life and Times bekannt – nun geht es im Theater Akzent auf die Insel. Burt Turrido. An Opera orientiert sich lose an Der fliegende Holländer, ersetzt Wagner aber durch Country und Western (26. – 30. August, Theater Akzent). Wie immer, wenn das Nature Theater in der Stadt ist, gilt: überraschen lassen.

Burt Turrido © Jessica Schaefer

Aus Großbritannien reist Shootingstar Alexander Zeldin an, dessen Faith, Hope and Charity bei der Frühjahrsausgabe Begeisterungsstürme im Zuschauerraum erntete. Nun kehrt der gern als Ken Loach des Theaters bezeichnete Regisseur mit seinem Werk LOVE zurück, in dem er das Leben in einer Einrichtung für temporäres Wohnen zeigt (2. – 8. September, Jugendstiltheater). Ein Must-See für alle Theaterbegeisterte auf der Suche nach Schauspiel vom Feinsten! Ebenfalls aus Großbritannien kommt Tim Etchells, Mastermind der Gruppe Forced Entertainment. Gemeinsam mit der Violinistin Aisha Orazbayeva gestaltet er ein Heartbreaking Final als Pingpong von Sprache und Musik (23. – 25. September, Jugendstiltheater). Aus der Schweiz gastiert Thom Luz. Bereits mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen, ist der Regisseur in Wien noch ein fast Unbekannter. In Lieder ohne Worte kann man sich nun davon überzeugen, ob der Hype um seine Stücke berechtigt ist (21. – 23. September, Halle G im MQ).

LOVE © Sarah Lee

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Auch abseits der Bühnen kehren die Festwochen mit spannenden Projekten zurück. In der Gesprächsreihe The Art of Assembly etwa gastiert mit Didier Eribon einer der großen Denker unserer Zeit. Weltberühmt machte ihn sein autobiographisches Buch Rückkehr nach Reims, nun spricht er mit der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe und dem Dramaturgen Florian Malzacher über die Widerstandskraft sozialer Bewegungen. Die neue Reihe MITTEN wiederum lädt am Nordwestbahngelände zu Begegnungen, Diskussionen und Auseinandersetzung samt spannenden Keynotes, Performances und Konzerten am Abend – bei freiem Eintritt! Aufgeschoben ist eben nicht ausgehoben, das beweisen die Wiener Festwochen – auch ein zweigeteiltes Festival kann ein großes Ganzes ergeben!

 

Karten und Info
www.festwochen.at
01 589 22 22

 

| | Text: Bauer Jürgen
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