Der große texanische Autor, Songwriter, Humanist, Zigarrenliebhaber und immer scharfe Denker Kinky Friedman meinte vor ein paar Wochen in einem Interview, dass die Welt Menschen brauche, die andere inspirieren. Er selbst wurde von John F. Kennedy inspiriert, seinen Weg, der im Friedenscorps anfing, zu gehen. Der Mann der ihn wohl am meisten berührte und inspirierte war Nelson Mandela, der ausgerechnet in der Zelle auf Robben Island jahrelang jeden Abend Friedmans „Ride’ em Jewboy“ auf einem winzigen Kassettenrekorder hörte. In diese Liste gehört zweifellos auch Muhammad Ali, der im Jänner seinen 75. Geburtstag gefeiert hätte, aber am 3. Juni verstarb. Ali betitelte seine immer noch mehr als lesenswerte Autobiografie „The Greatest“ und auch nach all den Jahren hat er sich diesen Beinamen immer noch verdient. Er war einmalig und sein Beispiel, seine Hingabe und sein Wirken weit über den Boxring hinaus sind sein wahres Erbe.
Er stand bei einigen der legendärsten und besten Boxkämpfe, die jemals stattfanden, im Ring und er gewann die meisten davon. Seine Kämpfe wurden als erste weltweit über Satellit übertragen und eine Generation von Österreichern quälte sich um 4 Uhr aus den Betten, um Ali zu sehen und Sigi Bergmann zu hören. Das gab es vorher nur bei der Mondlandung und teilweise beim Comeback von Elvis.Die Schlachten mit Joe Frazier und George Foreman sind alle auf YouTube zu sehen, und jeder, der Gewalt und Eleganz unter einen Hut bringen kann, kann diese Kämpfe in alle Ewigkeit genießen. Aber deswegen wurde Muhammad Ali nicht zum Größten. Diesen Titel hat er verdient, weil er für seine Überzeugungen einstand, sich wiedersetzte und schließlich auch durchsetzte. Nach seinem Olympiasieg 1960 in Rom im Halbschwergewicht wurde er Profi und durch einen Sieg gegen Sonny Liston 1964 Weltmeister im Schwergewicht. Nun gab es also einen großmäuligen schwarzen Weltmeister, der kein einziges Klischee des Schwarzen, der sich aus seinem Elend „hinaufboxen“ durfte, erfüllte und es tunlichst vermied, in die verhasste Rolle des „Onkel Tom“ zu fallen. Erst neun Jahre zuvor hatte Rosa Parks, eine ebenso inspirierende Frau, den Beginn der schwarzen Bürgerrechtsbewegung eingeleitet, indem sie ihren Sitzplatz im Bus nicht für einen weißen Fahrgast hergab. Das Gesicht dieses gewaltlosen Kampfes war Martin Luther King, und in diesem Klima des Kampfs um die Gleichberechtigung, sowohl in den Gesetzbüchern, als auch in den Köpfen, tauchte ein Boxer auf, der sich nicht nur als „The Greatest“ sah und das jedem mitteilte, jeden Kampf gewann, einen unglaublich proportionierten Körper hatte, nein, er gab auch seinen „Sklavennamen“ Cassius Clay auf, nannte sich Muhammad Ali und trat zur durchaus zweifelhaften „Nation of Islam“ von Elijah Muhammed über, die ihn in Zukunft noch viel Geld kosten sollte. Absolute Empörung erntete er, als er seine olympische Goldmedaille in den Kentucky River schmiss, weil er in einem Restaurant, das Bleichgesichtern vorbehalten war, nicht bedient wurde. Ali bettelte nicht um seine Rechte, er nahm sie sich. Gestoppt wurde er durch den Einberufungsbefehl, der ihn als Soldat nach Vietnam abkommandieren sollte, und der auch wohl den Zweck hatte, dem aufmüpfigen Jungspund zu zeigen, wer wirklich mächtig ist. Ali widersetzte sich mit seinem Entertainmenttalent, aber natürlich auch juristisch, stand aber dennoch auf verlorenem Posten, weil er keine Kompromisse eingehen wollte.
Er verlor die besten Jahre seiner Karriere und viele Millionen Dollar, aber er blieb sich selbst treu und begründete die Wehrdienstverweigerung mit folgenden unsterblichen Worten: „Why should they ask me, another so-called Negro, to put on a uniform und go 10.000 miles from home und drop bombs and bullets on brown people in Vietnam while so-called Negro people in Louisville are treated like dogs and denied simple human rights?“ Dass seine legendärsten Kämpfe, noch größere Einnahmen nach der Sperre, aber auch ein bitterer sportlicher Niedergang und ein jahrzehntelanger Kampf mit dem Parkinson-Syndrom auf ihn warteten, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.Das ganze Wirken und die Widersprüche dieses Titans des 20. Jahrhunderts, der die Welt mit seinem Geist veränderte und sich dabei von seinen Fäusten helfen ließ, zu dokumentieren war eine Herkulesaufgabe. Es galt, sich durch Archive zu wühlen und eine Kombination aus Fotos, Texten und Zeitungsausschnitten zu finden, um Ali gerecht zu werden. Mit viel Fachkenntnis und Liebe zum Detail entstand so vor guten zehn Jahren „GOAT: A Tribute To Muhammed Ali.“ Das Coffee Table Book (hier auch als „ordentlicher Ziegel“ bekannt) setzte Maßstäbe, aber seine Verbreitung hielt sich in Grenzen, da der Preis von einigen Tausend Euro und das Gewicht von 23 Kilogramm wohl nur eine kleine Schicht ansprach. Die erschlankte Neuauflage zu einem leistbaren Preis bietet natürlich nicht das ganze Volumen der Erstausgabe, aber den ganzen prächtigen Inhalt und natürlich Texte von Kalibern wie Gay Talese oder George Plimpton. Dieses Buch ist in der großen Bibliothek der Muhammad-Ali-Literatur zweifellos das Standardwerk und wird diesem großen Mann gerecht.
The Greatest of all Time – A Tribute to Muhammed Ali
Hardcover mit Ausklappseiten, 33 x 33 cm, 652 Seiten
TASCHEN, € 49,90