Festivals gibt es heute mehr denn je. Für gealterte Rockfans gibt es neben dem entsprechenden Line-up Sanitäranlagen wie im Hotel, nur halt in Bühnen-nähe. In Krems, wo Industrie auf Weinland trifft, werden dagegen Connaisseurs aller Coleurs angesprochen. Das hyperurbane donaufestival richtet sich im Frühjahr an jene, denen selbst der heißeste Scheiß zu fad oder gar zu blöd ist. Im Sommer zündet dann die nächste Stufe: Glatt & Verkehrt ist ein Festival für Klangkulinariker, die zwischen Trends und Tradition segeln. Am Anfang ging es dabei um Weltmusik, und irgendwie stimmt das immer noch genauso viel oder wenig wie damals.
Den Begriff Weltmusik gibt es seit 1987, das Festival Glatt & Verkehrt seit 1997. Letzteres hat Krems und Umgebung zu einem Fixpunkt für erstere gemacht. Jeden Sommer versammeln sich Stars, Newcomer und Geheimtipps der global-lokalen Szene, um hier zu musizieren. Verschiedenste Instrumente und Stile formen sich Jahr für Jahr zum schlüssigen Programm. Das Leitbild ist klar, aber nie eindimensional. Nun hat Albert Hosp als künstlerischen Leiter Jo Aichinger abgelöst, was einen sanften Wechsel darstellt.
Tradition. Neu. Erfinden.
„Eigentlich haben wir uns mindestens fünf oder sechs Mal neu erfunden“, rekapituliert Hosp. Er war seit den Anfängen im Team, zuletzt als Kurator. Und er war das Bindeglied zum Kultur-Radiosender Ö1. Der übernimmt als Kooperationspartner Teile des Programms – freilich nicht alles, das wäre schwierig ob der großen Programmfülle. Am Anfang war das noch anders: Die Wurzeln von Glatt & Verkehrt gehen zurück auf ein Folk-Festival der EBU, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkverband Europas. Verschiedene Länder schickten je eine Band, auch Österreich stellt nur eine Formation. Von ein paar Tagen wuchs das Festival im Lauf der Zeit auf bis zu einem Monat an, sogar mit einem „Nachläufer“ im Herbst. Das Zentrum bildete immer die „Weinhalle“ der Winzer Krems (Sandgrube 13): Der große, überdachte Hof ist luftig und doch wetterfest, Weinlaub prägt die Atmosphäre. In Abstimmung mit Publikum und Akustik könne man gerade noch „kammermusikalisch“ spielen, bringt Albert Hosp eine von vielen Umschreibungen ins Spiel, die als gemeinsamer Nenner das Programm bestimmen: akustische Musik. Natürlich wird mikrofoniert und verstärkt, aber das soll nicht das Klangbild bestimmen. Dauer und Programm des Festivals sind gewachsen, Neuorientierungen wurden nötig, um die Grundidee dem jeweiligen Umfang anzupassen.
Genre: Sounds
Mit drei langen Wochenenden ist das Programm kompakter als zuletzt, aber neben der Weinhalle werden eine gute Handvoll weitere Orte bespielt – natürlich immer in adäquater Form, manchmal nur einmal. So lässt in der Wehrkirche St. Michael am 14. Juli Orges Toce den Albanien-Fokus akustische Gestalt annehmen, freilich im Wechselspiel mit der Atmosphäre des Ortes, mit teils österreichischer Ensemble-Unterstützung. Damit er sich auf die feinen Nuancen konzentrieren kann, kann sich Orges am Vortag im Schloss zu Spitz mit der Ockus Rockus Band austoben, mit der er sich einst in der Balkan-Partyszene einen Namen machte – Open Air und mit Gaststar Fatima Spar. Auch nur an einem Abend (21.) wird das Bio-Weingut Geyerhof in Furth zur Bühne. Hier trifft Lukas Kranzelbinder, der seit ein paar Jahren die Jazz-Szene nicht nur als Bassist begeistert, mit einem Kollegen auf einen kongolesischen Autor – draußen gibt’s Essen und Trinken, drinnen wird wegen der begrenzten Plätze zweimal hintereinander das einstündige Programm gespielt. Kranzelbinder ist am 25. Juli auch mit einer Tanz-Kooperation zu hören/sehen. Wem das zu viel ist, bekommt am 27. in der Sandgrube 13 einen Abend lang „sortenreine Sounds“: Auf Chor folgen Oud und Streicher … diese Schlaglichter aufs Programm sind weder repräsentativ noch Highlights …
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
Glatt & Verkehrt
13. bis 29. Juli 2018
Krems, Wachau und Umgebung