Einerseits geht das tragikomische Mysterienspiel exakt dort weiter, wo es vor mehr als einem Vierteljahrhundert aufgehört hat. Im „Red Room“ mit Special Agent Dale Cooper – Kyle McLachlan damals dürftig auf 25 Jahre älter geschminkt – und mit dem Geist der ermordeten Schönheitskönigin Laura Palmer (Sheryl Lee). Nun sind die beiden Schauspieler tatsächlich 25 Jahre älter, doch ihre Figuren stecken immer noch in dem ikonisch gewordenen Traumraum mit den roten Vorhängen und dem gezackten Boden zwischen vorwärts und rückwärts fest. Und Laura sagt, im nach wie vor faszinierend hirnverbrannten Doppeltverkehrtsprech: „I am dead yet I live.“
Andererseits zieht Twin Peaks die mit persönlichen Alptraumrillen geschliffene, postmoderne Schraube, die David Lynch unter Mithilfe seines polizeiserienaffinen Kollegen Mark Frost damals eingedreht hat, schon in der ersten Doppelfolge so heftig an, dass der Schraubenschlüssel bricht. Die verglaste Versuchs-Apparatur eines angeblichen Milliardärs in einem New Yorker Wolkenkratzer wird rund um die Uhr überwacht, reagiert auf die Präsenz jugendlicher Unzucht allerdings krass empfindlich (wobei hier schon das exquisite Sounddesign auffällt, für das Meister Lynch diesmal höchstpersönlich gesorgt hat). Hierauf wird ein Krimiplot um eine Männerleiche mit angestückeltem Frauenschädel etabliert, nach überaus gemächlicher Exposition im spießbürgerlichen Provinzmilieu South Dakotas freilich abrupt unterbrochen, um mit einem langhaarigen, verlebten Doppelgänger Dale Coopers in mörderische Abgründe einzutauchen. Dieser Cooper ist weder höflich, noch hat er ein Faible für Kirschkuchen und „verdammt guten“ Kaffee. Eher schon erinnert er an den Cooper in der letzten Szene der zweiten Season, welcher mit der Faust in einen Spiegel schlug und direkt in seine zersplitterte Persönlichkeit hineinschauen musste. Unterdessen geht es richtig rund im Red Room, lanciert der Teufel prekäre Geschäfte in Las Vegas und gibt es ein Wiedersehen mit Michael Horse als Deputy Hawk, Sherilyn Fenn als Audrey Horne, Mädchen Amick als Shelly Johnson und einigen anderen Bewohnern des Holzfällerstädtchens Twin Peaks. Neu hinzu gesellen sich Naomi Watts, Tim Roth, Jennifer Jason Leigh oder Monica Bellucci.
Wer als Zuseher denkt, er wird irgendwann an der Hand genommen, um den Weg durch dieses narrativ-psychedelische Labyrinth zu finden, wird selbstverständlich auf spektakuläre Weise enttäuscht. In ihrer stupenden Mischung aus Krimi, Horror, Mystery und Seifenoper gilt Twin Peaks als eine der hypnotischsten Horizontalserien der Fernsehgeschichte. Ihre Wiederbelebung durch den Bezahlsender Showtime mitten im New Golden Age of Television wird es ihr gleich tun, soviel ist sicher.
TWIN PEAKS SPECIAL EDITION
Mystery-Serie, USA 2017 – Idee, Regie David Lynch
Drehbuch Mark Frost, David Lynch u.a.
Mit Kyle MacLachlan, Mädchen Amick, Dana Ashbrook, Richard Beymer, Sherilyn Fenn u.v.a.
Bonus „Impressions: A Journey Behind the Scenes of Twin Peaks“ (Serie aus zehn ca. 30-minütigen Dokus, produziert von David-Lynch-Intimus Jason S.); „Phenomenon“ (dreiteilige Featurette über das bleibende Erbe von Twin Peaks); Twin-Peaks-Panel auf der San Diego Comic-Con® 2017, Serien-Promos, Fotogalerie etc. Die Teile 1 und 2 sowie 3 und 4 sind auch kombiniert als Langfilme enthalten, so wie ursprünglich auf Showtime gezeigt.
Only-Blu-ray-Bonus Behind the scenes (80 min)
Länge 18 Episoden à ca. 58 Minuten
Universal / Paramount
FAQ Magazin verlost je eine Blu-ray-Box und eine DVD-Box der Twin Peaks Special Edition
Senden Sie bis 20. April 2018 eine E-Mail mit dem Betreff
„Twin Peaks“ an gewinnspiel@faq-magazine.com
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!