Die Frage, ob man den Holocaust überhaupt mit den Mitteln des narrativen Films darstellen kann und darf hat eine lange Geschichte, die Diskussion darüber ist aus naheliegenden Gründen in Deutschland mit besonderer Intensität geführt worden. Christian Petzold hat mit seinem neuen Film die Debatte wieder heftig befeuert, denn Phoenix nähert sich dem Thema auf ungewöhnliche Weise, nämlich mit den Stilmitteln des Melodramas und des Film noir. Deutschland, wenige Monate nach Kriegsende: Die Jüdin Nelly (Nina Hoss) hat Auschwitz überlebt und kehrt in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Mittels chirurgischer Eingriffe wurden die furchtbaren Gesichtsverletzungen, die sie im Konzentrationslager erlitten hat, behandelt und ihre Schönheit äußerlich wiederhergestellt. Doch ihr Mann, der sie für tot hält, erkennt sie nicht wieder, glaubt vielmehr, Nelly sei eine Doppelgängerin, die seiner Frau zufällig zum Verwechseln ähnlich sieht. Und so schlägt er ihr vor, sie solle sich für Nelly ausgeben, damit man an ihr Vermögen herankommen könnte, um es untereinander aufzuteilen. Und Nelly willigt tatsächlich ein, auch weil sie hofft, so ihre zerstörte Persönlichkeit wieder aufzurichten und ihren Mann zurückzubekommen – obwohl sie die Möglichkeit in Betracht ziehen muss, dass er, der kein Jude ist, sie an die Nazis verraten hat. Verdrängung, Schuld und Vergebung werden dabei in Petzolds Phoenix zu zentralen Motiven und so zu einem Spiegel für den Umgang mit der eigenen Vergangenheit.
Woody Allen setzt seine filmische Tour, die ihn in jüngerer Vergangenheit anhand höchst unterschiedlicher Sujets durch Europa nach London, Paris, Barcelona und Rom führte, nun fort. Mit Magic in the Moonlight begibt sich Allen, der in seinem neuen Film nicht selbst vor der Kamera agiert, an die Côte d’Azur der 1920er Jahre. Dort findet sich der berühmte Illusionist Stanley ein, um einen ungewöhnlichen Auftrag zu übernehmen. Er soll eine Wahrsagerin, die mit ihren vermeintlichen übersinnlichen Fähigkeiten die Reichen und Schönen fasziniert und dabei kräftig abkassiert, als Hochstaplerin entlarven. Doch inmitten dieser mondänen Umgebung erweist sich Sophie nicht nur als ebenso charmante wie attraktive junge Dame, sie verfügt über erstaunliche Fähigkeiten, die selbst bei Stanley Zweifel hervorrufen, ob sie tatsächlich eine Betrügerin ist. Dass sich die beiden auch zwischenmenschlich näher kommen, macht die Sache für ihn nicht gerade leichter. Mit dem für seine Filme typischen Wortwitz samt einer gehörigen Portion Sarkasmus hat Woody Allen Magic in the Moonlight als schwungvolle Komödie in Szene gesetzt, mit Colin Firth und Emma Stone hat er wieder einmal ein kongeniales Duo für die Hauptrollen gefunden.
Turbulent wird es auch für den Protagonisten von Mortdecai. Dieser, ein aristokratischer Kunsthändler mit einem Hang zum Snobismus, sieht sein luxuriöses Leben ernsthaft in Gefahr, als er binnen weniger Tage seine Schulden in Millionenhöhe begleichen muss, andernfalls droht die Zwangsversteigerung des Familiensitzes. Da würde ihm die Belohnung, die nach dem mysteriösen Verschwinden eines berühmten Gemäldes für dessen Wiederbeschaffung ausgelobt wurde, gerade recht kommen. Also macht sich Charlie Mortdecai in Begleitung seines treuen Dieners auf die Jagd nach dem Bild, eine Suche, die ihn rund um die Welt, von Moskau bis Los Angeles, führt. Dabei muss er sich nicht nur mit russischen Oligarchen und international agierenden Terroristen herumschlagen, sondern auch mit einem Beamten des britischen MI5, mit dem er schon in seiner Schulzeit so manchen Strauß ausgefochten hat.Johnny Depp hat in der Rolle der Titelfigur wieder die Darstellung eines skurrilen Charakters übernommen, mit Ewan McGregor, Paul Bettany, Gwyneth Paltrow, Jeff Goldblum und Oliver Platt hatte Regisseur David Koepp ein formidables Ensemble für seine rasante Krimikomödie zur Verfügung.
Kriminelle Aktivitäten modernen Zuschnitts stehen hingegen im Mittelpunkt von Michael Manns neuem Thriller Blackhat. Nach einem virtuellen Angriff auf das Finanzsystem der USA sucht das FBI Unterstützung bei einem hochbegaben Hacker. Der sitzt zwar seit geraumer Zeit im Gefängnis, doch für seine Mitarbeit im Kampf gegen die Cyber-Terroristen winkt eine Amnestie. Ein Angebot, das Nicholas Hathaway (Chris Hemsworth) dankend annimmt. Doch im Verlauf des Einsatzes bekommt der Terror handfeste Züge, und Hathaway, der das Ganze zunächst als eine Herausforderung seiner Computer-Kenntnisse angesehen hat, muss plötzlich einen Kampf um sein Leben aufnehmen.
Mit Boogie Nights, seiner erst zweiten Regiearbeit, hat Paul Thomas Anderson 1997 einen der herausragenden Filme der vergangen Jahrzehnte in Szene gesetzt, Magnolia, There Will Be Blood und The Master untermauerten seine Reputation als einer der spannendsten Auteurs des US-amerikanischen Kinos der Gegenwart. Damit scheint Anderson prädestiniert dafür, die erste filmische Adaption einer literarischen Vorlage von Thomas Pynchon, dessen Bücher ähnlich komplexe Figurenkonstellationen und Handlungsfäden aufweisen wie Andersons Filme, zu wagen – das Ergebnis liegt mit Inherent Vice nun vor. Im Los Angeles der siebziger Jahre bekommt Privatdetektiv Doc Sportello unerwartet Besuch von seiner Ex-Freundin, die ihn um Hilfe bittet: Ihr derzeitiger Liebhaber soll von seiner Frau entführt werden und in einer psychiatrischen Anstalt weggesperrt werden. Doc hegt Zweifel an der abenteuerlichen Geschichte, doch ehe er sich’s versieht, findet er sich auf einem aberwitzigen Trip durch ein Los Angeles voller Drogen, Gangster und Detectives der örtlichen Polizei. Verkörpert werden die Bewohner des von Paul Thomas Anderson kreierten Mikrokosmos von exzellenten Schauspielern wie Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Benicio Del Toro, Reese Witherspoon, Eric Roberts und Owen Wilson.
Vittorio De Sica ist zweifellos eine der großen Persönlichkeiten im Weltkino des vergangenen Jahrhunderts. Bereits in den dreißiger Jahren feierte er in seiner Heimat Italien als Schauspieler große Erfolge, ehe er sich mit unvergleichlichen Meisterwerken wie Ladri di biciclette (Fahrraddiebe, 1948) und Umberto D. (1952) als einer der führenden Regisseure des Neorealismus etablierte. Der mit dem Oscar ausgezeichnete Il giardino dei Finzi-Contini (Der Garten der Finzi Contini, 1970) war nur ein weiterer später Höhepunkt im vielseitigen Œuvre De Sicas, dem das Filmmuseum ab Jänner eine umfangreiche Retrospektive widmet, bei der neben seinen Regiearbeiten auch einige seiner Auftritte als Schauspieler zu sehen sind.
Phoenix
Kinostart 5. Dezember
Magic in the Moonlight
Kinostart 5. Dezember
Mortdecai
Kinostart 22. Jänner 2015
Blackhat
Kinostart 15. Jänner 2015
Inherent Vice
Kinostart 13. Februar 2015
Retrospektive Vittorio De Sica
9. Jänner – 11. Februar 2015