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Verwirrung der Gefühle

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Press
Studiocanal

Als Rainer Werner Fassbinder Anfang 1978 mit den Dreharbeiten zu Die Ehe der Maria Braun begann, hatte er die Periode, in der er seine Filme mit wenig oder beinahe gar keinem Budget produziert hatte, längst hinter sich gelassen. Sein Ruf als eine der großen Persönlichkeiten des Neuen Deutschen Films war bereits so gefestigt, dass er die entsprechenden finanziellen Mittel für ein Melodrama im großen Stil und geradezu klassischen Zuschnitts zur Verfügung hatte. In konsequenter Weiterentwicklung seiner Filmsprache und Stilistik nützte er den Rahmen dieses Genres, um einen kritischen Blick auf das Deutschland der Nachkriegszeit zu werfen. Es sollte der erste Film einer Reihe, bekannt als „BRD Trilogie“, werden, mit der Fassbinder die Verhältnisse in der Bundesrepublik in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg einer kritischen Betrachtung unterzog. Im Mittelpunkt der Filme steht jeweils eine weibliche Protagonistin (Fassbinder gibt dabei drei großen Schauspielerinnen reichlich Gelegenheit, ihr großes Potenzial zu entfalten), um aus dieser spezifischen Perspektive den Stand der Dinge zu beleuchten. In Die Ehe der Maria Braun verkörpert Hannah Schygulla die Titelfigur, die sich inmitten des Wirtschaftswunders zu arrangieren versteht, Lola (mit Barbara Sukowa in der Hauptrolle) zeigt, wie eben dieses Wirtschaftswunder die Menschen schon bald korrumpiert und alle Skrupel vergessen lässt. Die Sehnsucht der Veronika Voss greift die Lebensgeschichte der Schauspielerin Sybille Schmitz auf, einem UFA-Star zu NS-Zeiten, die sich von ihrer Vergangenheit nicht zu lösen verstand – bis zu ihrem tragischen Tod. Dramaturgisch und formal meisterhaft von Fassbinder in Szene gesetzt, zeigt Rosel Zech als Veronika Voss eine darstellerische Leistung, die lange im Gedächtnis bleibt.

Mit dem hochgelobten Beziehungsdrama Blue Valentine legte Regisseur Derek Cianfrance eine viel beachtete Talentprobe ab. Mit seinem nächsten Film The Place Beyond the Pines fokussiert sich der Regisseur wiederum auf eine familiäre Anordnung, dramaturgisch und von der Figurenkonstellation in einem weitaus komplexeren Konstrukt. Im Mittelpunkt steht die Beziehung des Motorrad-Stuntfahrers Luke zu seinem Sohn, von dessen Existenz er erst einige Jahre nach dessen Geburt zufällig erfährt. Luke möchte sich seiner Verantwortung nicht entziehen und seinen Sohn und dessen Mutter, die mittlerweile in einer neuen Beziehung lebt, wenigstens materiell absichern. Um die notwendigen Mittel aufzubringen, begeht Luke Banküberfälle, doch als ein Raubzug schiefläuft, hat das nicht nur für Luke nachhaltige Konsequenzen. In einer kongenialen Mischung aus Drama, Thriller und Krimi variiert Cianfrance das bekannte Motiv von Schuld und Sühne, das seine Protagonisten – gespielt von einem mit Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Rose Byrne und Ray Liotta hervorragend besetzten Ensemble – über Generationen hinweg nicht loslässt. Marc Forster balanciert mit seinen Regiearbeiten geschickt zwischen kommerziellem Kino und Arthouse, der Mystery-Thriller Stay ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Resultate dieser Übung zumeist durchaus sehen lassen können.

Zu einem veritablen Überraschungserfolg entwickelte sich Whiplash, ein psychologisches Drama über ein äußerst ambivalentes Lehrer-Schüler-Verhältnis. Andrew studiert an einem Konservatorium Schlagzeug, doch die Methoden seines Lehrers Fletcher (J.K.Simmons agiert in dieser Rolle herrlich diabolisch), um seinen Schülern Höchstleistungen abzuverlangen werden immer perfider. Andrew, der sich zunächst den fragwürdigen Lehrmethoden unterordnet, wird die Sache zunehmend suspekt, die große Konfrontation ist vorprogrammiert.

Fassbinders BRD-Trilogie

Die Ehe der Maria Braun / Lola / Die Sehnsucht der Veronika Voss

Arthaus/Studiocanal, 325 Minuten

Bereits erschienen

Double Up Collection

The Place Beyond the Pines / Stay

Arthaus/Studiocanal, 230 Minuten

Bereits erschienen

Whiplash

Sony Pictures Home Entertainment, 107 Minuten

Bereits erschienen

| FAQ 33 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Press
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