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Viennale 2017

Text: Bert Rebhandl | Fotos: Viennale
„Antigone“, Danièle Hulliet, Jean-Marie Straub, D/F 1991

Als Hans Hurch am 23. Juli dieses Jahres in Rom unerwartet starb, da lag das Festival von Cannes knapp zwei Monate zurück. Locarno und Venedig standen noch bevor, diese Festivals konnte er nicht mehr besuchen. Das Programm der Viennale mochte also ungefähr zur Hälfte bis zu zwei Dritteln schon Gestalt angenommen haben, den Rest mussten seine langjährigen Mitarbeiter und der interimistische Direktor Franz Schwartz besorgen. Für ein Festival of Festivals, wie es die Viennale ist, also für eine kuratierte Auswahl aus der Filmproduktion, wie sie auf den großen Wettbewerbsveranstaltungen, aber auch auf spezialisierten Nischenfestivals zu finden ist, ist der Termin der Viennale ideal. Man kann Ende Oktober tatsächlich so etwas wie eine Bilanz ziehen, bevor die Branche mit der „award-season“ in einen anderen Rhythmus wechselt, und danach im neuen Jahr mit Rotterdam und Berlin der Zyklus wieder vor vorne beginnt.

Es ist ein Zyklus, in dem die Festivals of Festivals ihrerseits dicht aneinandergedrängt sind: New York beginnt Ende September, kurz darauf dann London, und auch in diesem Ablauf hat die Viennale das Glück eines späten Termins, verbunden mit einer meist immer noch angenehmen Jahreszeit. 2017 wird es, wie die gelungene Sprachregelung lautet, ein Festival „von und für“ Hans Hurch geben. Das Programm wird im Wesentlichen die geläufige Struktur haben: neben den beiden Hauptprogrammen mit Spiel- und Dokumentarfilmen eine Reihe von Spezialreihen, darunter eine, die ausdrücklich dem Gedenken von Hans Hurch gewidmet sein wird. In diesen 14 Filmen von 14 Freunden bildet sich noch einmal das Feld ab, das die Viennale in den 20 Jahren unter Hurch um sich herum ausgebildet hat. So hat Klaus Wyborny, der Hamburger Universalgelehrte des Kinos, dessen Filme zuverlässig in Wien zu sehen waren, einen naheliegenden Film ausgewählt: Antigone (1992) von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, in dem Astrid Ofner, die langjährige Lebensgefährtin von Hans Hurch und auch Viennale-Mitarbeiterin, damals die Titelrolle neben ihrer Schwester Ursula interpretierte. Hurch war während seiner Berliner Zeit als Regieassistent für Straub/Huillet tätig, sodass sich hier tatsächlich ein Kreis schließt, denn mit seiner Treue zu Wyborny hielt er auch eine originelle Variante des rigiden Konzept von Straub/Huillet präsent. Die Schauspielerin Tilda Swinton, die unter anderem durch Harun Farocki mit Hurch in Verbindung kam, hat sich für Au hasard Balthazar von Robert Bresson entschieden. Damit sind, fast schon wieder in ironischer Konsequenz, die beiden Positio-nen markiert, auf die man Hans Hurch vor 20 Jahren gern festgelegt hätte. De facto erwies er sich dann als ein sehr pragmatischer Direktor und huldigte keineswegs einer strengen Definition von Kino.

Eine der Spezialreihen schließt sehr unmittelbar an die 14 Freunde, 14 Filme an. Valeska Grisebach, eine Filmemacherin aus Berlin, die Wien in vielerlei Hinsicht eng verbunden ist, hat mit Western einen der Höhepunkte des aktuellen Filmjahrs präsentiert. Ihr bisher noch schmales Gesamtwerk ergänzt die Viennale durch eine Carte Blanche. Western erzählt von einer Gruppe deutscher Bauarbeiter, die in Bulgarien ein Wasserkraftwerk bauen sollen, und dabei auf eine einheimische Bevölkerung treffen, die sie zuerst nicht so richtig wahr- oder ernst nehmen. Grisebach verbindet dabei ganz wunderbar eine grundsätzliche Poetik des Kinos mit politisch und historisch relevanten Beobachtungen. Und in die gleiche Richtung weist auch die Liste der für sie bedeutsamen Filme – bei Milos Formans Die Liebe einer Blondine (1965) mag man sowohl direkte motivische Parallelen finden, wie auch atmosphärische; die Liebesprobleme einer Arbeiterin sind im Kommunismus wenige Jahre vor dem Prager Frühling deutlich als gesellschaftliche zu erkennen.

Im Hauptprogramm der Spielfilme taucht mit Ilan Metevs 3/4 wiederum ein Film auf, der ebenfalls das bisher lange unterrepräsentierte Filmland Bulgarien vertritt, sondern der auch einen Geist atmet, der dem von Valeska Grisebach in Ansätzen vergleichbar ist. Die drei Viertel im Titel beziehen sich auf eine Familie mit einem Vater, einer beinahe erwachsenen Tochter und einem kleineren Jungen. Die Mutter ist abwesend, und zwar offensichtlich schon so lange, dass ihr Fehlen nicht mehr ausdrücklich angesprochen werden muss, und doch prägt es wohl alles. Metev hat davor einen Dokumentarfilm über Rettungssanitäter in Sofia gemacht. Sein erster Spielfilm, in deutscher Koproduktion, ist ein europäischer Brückenschlag par excellence.

Vollständiger Artikel in der Printausgabe.

 

VIENNALE 2017

19. Oktober – 2. November

www.viennale.at

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