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Vom Dialog der Dinge

Mit „Iconic Auböck – Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff“ präsentiert das Museum für angewandte Kunst Wien eine Auswahl des über hundertjährigen Schaffens der österreichischen Designerfamilie. Zu sehen vom 15. Mai bis 13. Oktober.

Carl Auböck II, Baumtisch in der Werkstätte, Bernardgasse, Wien, um 1950 © Werkstätte Carl Auböck

In Aschenbechern, Briefbeschwerern und Salzstreuern steckt oft ein raffiniertes Konzept: „Bei gutem Design kann man immer den Geist in den Objekten erkennen. Es ist etwas, das über die reine Funktion hinausgeht.“ Zwischen Ästhetik und Praktikabilität, von skulpturalen Objekten bis zu funktionellen Alltagsgegenständen, und egal ob Messing, Schilfrohr oder Leder: Die Auböcks haben es vermutlich schon einmal ausprobiert. „Es versteht sich von selbst, dass wir in gewisser Weise immer danach streben, mehr als nur Design zu schaffen, dem Geist sozusagen eine Form zu geben.“ Das erklärt Carl Auböck IV (*1954), der Nachfahre einer Designer-Dynastie, die mit seinem Großvater Carl Auböck II (1900–1957), einem Meister des Bauhauses, begann, und seinem Vater, dem Architekten Carl Auböck III (1925–1993), fortgesetzt wurde. Das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien präsentiert in der Ausstellung „Iconic Auböck – Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff“ eine generationsübergreifende Sammlung des weltweit bekannten Auböck-Designs, dass sich durch seinen globalen Einfluss fest in der Geschichte des internationalen Designs etabliert und auf verschiedenste Weise den Weg in unsere Wohnzimmer geschafft hat.

Carl Auböck II, Briefbeschwerer (1947–1950) © MAK/Christian Mendez

Der Gründer der Auböck-Dynastie, ursprünglich als Karl Heinrich Auböck geboren, betrieb im 19. Jahrhundert eine Bronzewerkstatt, in der er die berühmten „Wiener Bronzen“ herstellte. Sein Sohn Carl Auböck II absolvierte dort eine Lehre und wurde aufgrund seiner offensichtlichen Begabung früh von seinem Vater gefördert. Neben einem Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien tauchte er auch in die reformistisch inspirierte Kunstwelt ein, unter anderem als Schüler von Johannes Itten an dessen Schule in Wien. Schon zu dieser Zeit kristallisierte sich die Designsprache von Auböck heraus, die stark von der „Auseinandersetzung mit Linien und Bewegung als Form“ geprägt war, wie Bärbel Vischer, Kuratorin der MAK-Ausstellung, erklärt. Auböck II folgte seinem Mentor schließlich ins Bauhaus nach Weimar, wo er auf Größen wie Walter Gropius, Paul Klee und Oskar Schlemmer traf. Unter dem Einfluss dieser Meister formte Auböck im Laufe der Zeit seine eigene skulpturale Sprache, die sich durch minimalistische, abstrakte, organische oder technoide Kombinationen von Materialien, Formen und Oberflächen auszeichnete.

„Iconic Auböck“ eröffnet einen Blick auf die Werkstatt, der sich im Strudel des Surrealismus der 1920er-Jahre zu drehen scheint, jener künstlerischen und literarischen Bewegung, die in Frankreich und Belgien ihren Ursprung fand. Die Spuren dieser Strömung zeigen sich bei Carl Auböck dabei in einer surrealen Symbolik: Von Hand, Ei, Uhr und Auge bis hin zu Messer, Schlüssel, Glocke, Schuh, Brille und Schachspiel ist alles dabei und bildet ein Nest für das Geheimnisvolle. Besonders der Dialog zwischen geometrischen Strukturen und organischen Formen, gepaart mit der Sinnlichkeit natürlicher Materialien, fesselt Auböck II, wie die Ausstellungskuratorin erzählt. Diese Leidenschaft fand ihre Verkörperung in späteren Werken wie dem Baumtisch von 1948, ein Stück, das aus einem einzigen Holzsegment eines Baumstamms gefertigt wurde und dabei zu einem Aushängeschild des Auböck’schen Designs avancierte. In seiner Arbeit zeigt Auböck eine bemerkenswerte Reduktion und Kreativität, wobei er sich auf einfache Materialien wie Nussholz, Leder mit eleganten und schlichten Nähten sowie hauptsächlich Messing, Horn und Rattan konzentrierte. Diese materialbedingte Einfachheit reflektierte auch die Armut der Nachkriegszeit. Seine Werke waren frei von Farbe, das Material selbst sollte die Geschichte erzählen. Diese Handschrift prägte sein Design und schuf einen unverwechselbaren Kosmos, der seine Zeit überdauerte.

Carl Auböck II, Schreibtisch-Set, 1920er Jahre. Carl Auböck Archiv © MAK/Christian Mendez

Ein weiteres Konzept, das in der Werkstätte Auböck an Bedeutung gewann, war das „Objet trouvé“ oder das gefundene Objekt – eine Art Weiterentwicklung des „Ready-made“ à la Duchamp. Carl Auböck II war ein Visionär darin, Alltagsgegenstände auf surrealistische Weise in Frage zu stellen, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Funktion: „Das Absurde wird im Surrealismus verwendet, um das Rationale und konventionelle Denkmuster zu durchbrechen. Das Unwahrscheinliche erzeugt den Effekt der Überraschung und lotet Zustände des Unbewussten und des Träumens aus“, so Bärbel Vischer. Viele von Auböcks Ideen spiegeln so auch den Zeitgeist der Psycho-analyse und die Gedankenwelt Sigmund Freuds wider.

Carl Auböck IV sieht einen zentralen Aspekt des Designs in der Kommunikationsfähigkeit der Gegenstände. Viele der Entwürfe Auböcks waren für das Wohn- und Esszimmer gedacht. Vasen, Salzstreuer und andere Tischobjekte wurden nicht nur für eine bestimmte Funktion entworfen, sondern auch für einen lebhaften Lebensstil, der den Austausch förderte. Sie besaßen eine Geschichte, eine Aura und eine kreative Idee, die sie zu Gesprächsstoff machten, wie Auböck IV in einem Gespräch mit Thomas Brandstaetter betont. Zusätzlich war das Konzept des Spiels und der intendierten Handlungsanweisung in zahlreichen Produkten der Werkstätte Carl Auböck verankert, so Vischer. Beispiele hierfür sind etwa der Nussknacker in Form einer Katze aus den 1930er-Jahren oder eine gigantische Büroklammer aus den 1960er-Jahren, die diese Verspieltheit reflektieren.

Carl Auböck II, Baumtisch, 1948. Sammlung Loher © MAK/Christian Mendez

Natürlich kann man Carl Auböck II nicht ohne seinen historischen Kontext denken: Schon vor dem „Anschluss“ Österreichs war er Teil der illegalen NSDAP und wurde 1938 offiziell aufgenommen. Aus diesem Grund zeigt „Iconic Auböck“ auch Objekte aus den 1930er- und 1940er-Jahren. Viele dieser Gegenstände entstanden aufgrund von Materialmangel aus Aluminiumblech von Flugzeugen während des Zweiten Weltkriegs und dienen somit als historische Dokumente. Carl Auböck III machte die Werkstätte Auböck durch sein Studium am MIT und seinen Zugang zum Industrial Design weltweit bekannt. Er wagte den Schritt zur Produktion von kleinen Serien und wurde stark von der „Ära der Vorfertigung“ beeinflusst. Carl Auböck IV, sein Sohn, entwickelte später, inspiriert von den Werken der Werkstätte Auböck, Produkte für Hermès und Tiffany, die ebenfalls in der MAK-Werkschau präsentiert werden.

Die Auböcks waren Allrounder ihrer Ära und erschufen eine riesige Palette an Objekten – von Besteck über die weltbekannten Kleiderhaken bis hin zum Baumtisch mit seinen unverkennbaren drei Messingfüßen. Ihre Arbeitsweise war geprägt von Formalität und Reduktion. Trotzdem verliehen sie den Designs nicht nur Klarheit und Präzision, sondern auch eine humorvolle Note. „Für mich gibt es nur die eine Kunst. Wenn sie mich anspricht, berührt oder auch irritiert, dann ist es mir egal, in welche dieser Kunstkategorien sie fällt“, so Carl Auböck IV. Die MAK-Ausstellung „Iconic Auböck – Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff“ wird dieser Vielfalt gerecht. Sie funktioniert dabei als leben-diges Zeugnis für mehr als ein Jahrhundert generationsübergreifender Designarbeit.

 

ICONIC AUBÖCK
Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff
Bis 13. Oktober 2024
www.mak.at

 

| FAQ 75 | | Text: Ania Gleich
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