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Don’t Look Up

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Netflix

Mit „Don’t Look Up“ unternimmt Adam McKay einen ebenso treffsicheren wie bitterbösen Frontalangriff auf eine völlig aus den Fugen geratene Gesellschaft.

Foto: Netflix

Eben waren die Wissenschaftler des Fachbereichs Astronomie der Michigan State Universität noch in Feierlaune, nachdem Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) einen Kometen entdeckt hat, der sogleich ihren Namen verliehen bekommt. Doch während des launigen Umtrunks errechnet der forschungsleitende Professor, Doktor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio), ein höchst beunruhigendes Faktum: Der Himmelskörper befindet sich nämlich auf direkten Kollisionskurs mit der Erde, der Zusammenprall hätte aufgrund der Größe von Komet Dibiasky verheerende Auswirkungen, die das Leben auf dem ganzen Planeten auslöschen würden. Nach kurzer Schockstarre informiert Dr. Mindy das Planetary Defense Coordination Office – diese Abteilung der NASA gibt es übrigens wirklich –, bald schon befindet er sich gemeinsam mit Kate in Washington, um Präsidentin Orlean (Meryl Streep) über die prekäre Lage in Kenntnis zu setzen. Doch zur Überraschung der beiden Wissenschaftler haben die Präsidentin und ihr Stabschef (Jonah Hill) – der auch ihr Sohn ist – zunächst andere Prioritäten. Es stehen nämlich die Halbzeitwahlen zum Kongress bevor, die eher ungünstig ausgehen würden, wenn man die Menschen mit der Nachricht konfrontiert, dass Leben auf der Erde bald nicht mehr existiere. Obwohl zur Geheimhaltung verpflichtet, wollen Mindy und Dibiasky die Sache selbst in die Hand nehmen. Sie entschließen sich, mittels medialer Auftritte, die Öffentlichkeit über den herannahenden Kometen zu informieren – doch damit kommt ein Irrsinn von unfassbarem Ausmaß erst so richtig in Schwung.


Adam McKay hat sich in jüngerer Vergangenheit mit The Big Short (2015) und Vice (2018) als ebenso präziser wie scharfzüngiger Kritiker des Finanz- bzw. des politischen Systems erwiesen. Sein bevorzugtes Stilmittel, bitterböser, schwarzer Humor, bestimmt auch in Don’t Look Up die Tonalität. Hatte McKay bei The Big Short und Vice seine Kritik zwar anhand konkreter Ereignisse wie dem Beinahe-Kollaps des Finanzsystems nach dem Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase sowie der Karriere des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney – doch in den Schlussfolgerungen durchaus systemisch – formuliert, unternimmt er bei seiner neuen Regiearbeit einen Frontalangriff auf eine Gesellschaft, die auf mehreren Ebenen jedes auch nur halbwegs vernünftige Maß verloren zu haben scheint. Ob das politische System und seine Repräsentanten, die absurden Auswüchse der sozialen Medien, global agierende Konzerne, ein allgegenwärtiger Trend zur Belanglosigkeit oder schlichtweg eine um sich greifende Borniertheit, die wie galoppierender Irrsinn anmutet – nichts und niemand ist vor Adam McKays beißendem Spott sicher.

Doch bei allem Hohngelächter wird bei Don’t Look Up noch deutlicher als im Fall von The Big Short oder Vice, dass hinter McKays kritischem Blick ein gewaltiger Furor steht, ein – durchaus gerechtfertigter – Zorn über eine Gesellschaft, die sich aus den erwähnten Gründen in einem höchst beklagenswerten Zustand befindet – und das in weiten Teilen nicht einmal bemerkt. Zwar verweist Don’t Look Up immer wieder auf real existierende Akteure und Ereignisse der US-amerikanischen Gesellschaft – die von Meryl Streep gespielte Präsidentin weist geschickt verklausuliert aber deutlich erkennbar Ähnlichkeiten mit Donald Trump auf – , doch die allgemeine Gültigkeit seiner höchst schlüssige Implikationen wird rasch offensichtlich. Dass Adam McKay schwarzhumorige, bissige Plots publikumswirksam – ohne dabei jedoch diesem Publikum sich anbiedernd zu nähern – in Szene zu setzen versteht, stellte er mit Filmen wie Anchorman: The Legend of Ron Burgundy (2004), Step Brothers (2008) oder The Other Guys (2010) unter Beweis. Auch Don’t Look Up erweist sich als über weite Strecken brillante Satire, hinter deren pointiertem Feuerwerk sich allerdings ein tief sitzender Kulturpessimismus manifestiert, der so manches Lachen bei genauerem Nachdenken verstummen lässt. Zu diesen Momenten zählt etwa wie Regisseur und Drehbuchautor McKay die Protagonistin Kate Dibiasky eine Verschwörungstheorie bezüglich eines sinistren Masterplans der politischen Akteure abschmettern lässt, als sie nur lakonisch anmerkt: „They are not smart enough to be as evil as you give them credit for.“

 

Don’t Look Up
Satire, USA 2021 – Regie, Drehbuch: Adam McKay

Kamera: Linus Sandgren, Schnitt: Hank Corwin, Musik: Nicholas Britell
Mit: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Jonah Hill, Cate Blanchett, Mark Rylance, Timothée Chalamet, Rob Morgan, Ariana Grande
Verleih: Netflix, 145 Minuten

 

| | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Netflix
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