Welche Bilder erscheinen vor dem geistigen Auge, wenn man die Wörter Mensch und Maschine hört? Cineasten haben dabei vermutlich Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 im Kopf. Vielleicht aber auch einen ernst dreinblickenden Hünen in Lederkluft und Sonnenbrille, der unerklärlicherweise mit steirischem Akzent spricht. Jüngeres Publikum eventuell den niedlichen Wall-E aus dem gleichnamigen Disney-Film. Nicht zu vergessen Ash aus Ridley Scotts Meisterwerk Alien, Scarlett Johansson in Ghost in the Shell oder Alicia Vikanders Darstellung der Androidin Ava im Oscar-prämierten Film Ex Machina. Denn was wäre das Science-Fiction-Genre ohne die humanoiden Wesen? Dank ihnen haben wir auch bereits ein bestimmtes zwischen Popkultur und Klischees angesiedeltes Bild von Robotern entwickelt. Dabei sind ihre Erscheinungsformen heutzutage bereits mannigfaltig, fast schon unscheinbar. Sie mähen unseren Rasen, saugen unsere Wohnung und durchsuchen per Spracherkennung das Internet. Ein kurzer Befehl genügt. Drohnen, Algorithmen, intelligente Sensoren – sie sind mitten unter uns.
Ein besseres Morgen
In Zeiten von künstlicher Intelligenz, Automatisierung und grenzenloser digitaler Kommunikation wird zunehmend unser Arbeits- und Privatleben auf den Kopf gestellt und das in rasantem Tempo. Wer aber holt aus der digitalen, technologie- und wirtschaftsgetriebenen Revolution das beste für die Menschen heraus? Diese Frage zu beantworten, ist die Kernaufgabe, die sich die Vienna Biennale 2017 mit einem umfangreichen Rahmenprogramm stellt. Designer, Architekten und bildende Künstler setzen sich dabei mit verschiedensten Projekten mit diesen Überlegungen auseinander, vereint durch den Gedanken an ein besseres Morgen. Mit kreativen Szenarien, verteilt auf die ganze Stadt, zeichnen sie ein komplexes, aber verheißungsvolles Bild unseres zukünftigen Lebens, ohne dabei zu idealisieren oder fern der Realität zu sein. Die Künste spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, humane Werte in die Digitalisierung zu bringen. Darin sind sich die Veranstalter der Vienna Biennale einig, wie Christoph Thun-Hohenstein, Initiator und Leiter erklärt: „Die digitale Zukunft geht uns alle an. Wir sind hier mit einer zutiefst demokratischen Aufgabe konfrontiert, die wir mit tatkräftiger Hilfe aus Kunst, Design und Architektur gemeinsam bewältigen müssen. Vom Standort Wien, aus dem Herzen Europas heraus, gibt die Vienna Biennale Anstöße, eine digitalisierte Zivilisation und Arbeitswelt human mitzugestalten.“ Ein Teil der Projekte beschäftigen sich mit fundamentalen Fragen zu unserem Alltag sowie unserer Gefühlswelt. Wie viel Einfluss hat unsere Arbeit auf das Wohlbefinden? Welche Chancen stecken in der fortschreitenden Automatisierung und wie kann unsere Lebensqualität dadurch noch gesteigert werden? Oder schadet ihr die Robotik vielleicht sogar? Fakt ist, dass bei dem Thema künstliche Intelligenz auch immer eine gewisse Angst mitspielt. Die Frage, ob diese von Hollywood geschürt wurde oder nicht, sei dabei jedem selbst überlassen.
Spezies Roboter
Das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien greift beispielsweise diese zwiegespaltene Beziehung mit einer umfassenden Ausstellung auf. „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine“ zeigt anschaulich und unterhaltsam, wie weit die Robotik bereits in unser Leben vorgedrungen ist. Mehr als 200 Exponate aus Kunst, Design und Architektur sowie Beispiele aus Technologie, Film (natürlich dabei: Stanley Kubrick und George Lucas), Literatur, Mode, Wissenschaft und Popkultur untersuchen den fast schon unaufhaltsamen Hype um die intelligenten Maschinen. Großes Augenmerk wird auf das Design gelegt, das eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Es fügt sich manchmal nämlich so unaufdringlich in unseren Alltag ein, dass wir es gar nicht mehr bemerken. So ist zum Beispiel die Verschmelzung von Mensch und Maschine schon länger keine Science-Fiction mehr, sondern dank Prothesen und Implantaten Teil der modernen Medizin. Fast lautlos hat sich die Robotik also in das moderne Leben gedrängt, sodass sich neue ethische und politische Fragen ergeben. Und diese schwanken, so viel darf bereits verraten werden, zwischen Begeisterung und Kritik, Utopie und Dystopie. Sind Maschinen eine Art Hoffnung auf eine bessere, technisiertere Welt oder sollten wir stattdessen besser Angst vor einer Entmündigung des Menschen haben? Wie man es dreht und wendet, solche Überlegungen sind realistische Zukunftsvisionen, auch wenn sie nach Popcornkino klingen.
Der Preis der Unsterblichkeit
Eine Zukunftsvision der düsteren Art zeigt „Artificial Tears, Singularität & Menschsein – Eine Spekulation“, in der Ausstellungshalle des MAK. Zitiert wird ein Kapitel der Menschheitsgeschichte, das noch nicht geschrieben wurde. Künstlerische Positionen beschäftigen sich mit Hypothesen und liefern Impulse zur Auseinandersetzung mit dem vom amerikanischen Futuristen Ray Kurzweil prognostizierten Zeitalter der Singularität. Die Menschheit erlangt darin Unsterblichkeit durch sich selbst optimierende künstliche Intelligenz. Grundlegende menschliche Eigenschaften wie das Vergessen gibt es nicht mehr, Krankheiten und Verfall werden durch intelligente Nanobots, die in den Organismus geschleust werden, ausgemerzt. Der Preis dafür? Selbst zum Cyborg zu werden. Ob und wie das ethisch vertretbar ist, erforscht die Ausstellung anhand verschiedenster Medien. Fest steht, dass in Zukunft vielleicht sogar der Todesbegriff ein Update nötig hat.
Arbeit 2.0
Weniger düster denn sehr optimistisch zeigt sich das Projekt der StadtFabrik. Seit mehr als einem Jahr engagiert sich das Kooperationsprojekt der Wirtschaftsagentur Wien, das Kreativzentrum departure und das MAK für die Entdeckung und Sichtbarmachung urbaner Potenziale in der Kreativwirtschaft. Denn neue Technologien bedeuten auch Chancen auf neue Arbeitsfelder und neue kreative Konstellationen. Mit Projekten in der Stadt und der Ausstellung „Stadtfabrik: Neue Arbeit. Neues Design.“ im MAK werden drei zentrale Aspekte des Arbeitens in der digitalen Zukunft erforscht: Neue kreative Arbeit, neue soziale Arbeit sowie neue nachhaltige Arbeit. Das und noch einiges mehr wartet im Zuge der Vienna Biennale nicht nur auf Kunst-, Design- und Architekturinteressierte, sondern richtet sich auch an ein breites Publikum, das mit den Möglichkeiten der Kunst für die Herausforderungen unserer Zeit sensibilisiert werden soll. Rund 300 Kreative tragen mit spekulativen und utopischen, aber auch vielversprechenden praktischen Szenarien noch bis 1. Oktober 2017 dazu bei.
Die Ausstellung der Vienna Biennale 2017, „Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft“ ist noch bis 1.10.2017 an verschiedenen Schauplätzen in Wien zu sehen.