Startseite » Zeit des Erinnerns

Zeit des Erinnerns

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Archiv

Als Apocalypse Now bei den Filmfestspielen von Cannes 1979 die Goldene Palme gewinnen konnte, war das die formale Bestätigung, dass New Hollywood, jene Bewegung, die seit den sechziger Jahren dem US-amerikanischen Kino einen ungeheuren kreativen Schub verliehen hatte, einen absoluten Höhepunkt erreicht hatte. Francis Ford Coppola, einer der führenden Köpfe New Hollywoods, hatte mit diesem Film aber auch sein Opus magnum zuwege gebracht, das nicht nur das amerikanische Trauma des Vietnamkriegs auf den Punkt brachte, sondern auch dem Genre des Kriegsfilms eine andere, größere Dimension hinzufügte. Apocalypse Now folgt dabei dem von Martin Sheen gespielten Captain Willard, der den Auftrag erhält, Oberst Kurtz (Marlon Brando), der in den Wirren des Krieges außer Kontrolle geraten ist und im Dschungel, umgeben von einer Privatarmee, seinen eigenen Herrschaftsbereich aufgebaut hat, zu liquidieren. Mit einem Patrouillenboot macht sich Willard flussaufwärts auf die Suche nach Kurtz, doch im Verlauf der Fahrt werden die Irrsinnigkeiten dieses Krieges immer offensichtlicher. Coppola macht nicht nur all jene Widersprüche deutlich, die für die Vereinigten Staaten im Verlauf diese Krieges zu Tage traten, Apocalypse Now ist auch ein Film, bei dem die Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn, die im Verlauf der Dreharbeiten mit all ihren Schwierigkeiten evident geworden war, schlichtweg großes Kino hervorgebracht hat, das zu den beeindruckendsten Werken der Filmgeschichte zählt. Die vorliegende Edition zeigt übrigens die Kinofassung, die immer noch die von Coppola 2001 herausgebrachte etwa 50 Minuten längere „Redux“-Version in ihrer Klarheit übertrifft.

„Man stellt mir eine Aufgabe und meine Pflicht ist es, sie gründlich auszuführen.“ Was für Franz Lang zu anfangs nur seine Auffassung für die Arbeit in einer Fabrik ist, wird zu einem unheilvollen Lebensprinzip, das ihn mitschuldig am größten Sündenfall in der Geschichte der Menschheit, dem Holocaust, werden lässt. Mit Aus einem deutschen Leben hat Theodor Kotulla 1977 exemplarisch einen Weg nachgezeichnet, der den Protagonisten in den Wirren der Weimarer Republik schon früh zu den Nationalsozialisten führt. Dort macht dieser mit dem eingangs erwähnten Leitsatz Karriere – bis hin zum Kommandanten von Auschwitz, wo Lang den mörderischen Rassenwahnsinn der Nazis mit bürokratischer Gründlichkeit exekutiert. Basierend auf den Aufzeichnungen des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß – die Namensänderung soll die Verallgemeinerbarkeit signalisieren – hat Kotulla im Stil eines beinahe spröden dokumentarischen Dramas das Psychogramm eines prototypischen „Schreibtischtäters“ entworfen, der in seiner vordergründigen Biederkeit Hannah Arendts Idee von der „Banalität des Bösen“ auf beklemmende Art und Weise bestätigt. Götz George macht durch eine unprätentiöse Darstellung Langs deutlich, wie kritik- und gewissenlose Pflichterfüllung dazu geeignet ist, die schlimmsten Seiten der menschlichen Natur freizulegen.

Auf ebenso ungewöhnliche wie originelle Weise versuchen sich Iain Forsyth und Jane Pollard der komplexen und vielschichtigen Künstlerpersönlichkeit Nick Cave anzunähern – wobei Cave bei der Konzeption kräftig mitgeholfen hat. 20,000 Days on Earth zeigt einen fiktiven Tag im Leben des künstlerischen Multitalents, der seit Jahrzehnten zu den festen Größen der Popkultur zählt. Ein fulminanter Mix aus Musikdoku, Porträt, Wahrheit und Erfindung ermöglicht differenzierte Einblicke auf einen faszinierenden Charakter und seine künstlerische Arbeit.

Apocalypse Now – Award Winning Collection

Regie: Francis Ford Coppola

Arthaus/Studiocanal, 147 Minuten

Bereits erschienen

Aus einem deutschen Leben

Regie: Theodor Kotulla

Hoanzl, 145 Minuten

Bereits erschienen

20,000 Days on Earth

Regie: Iain Forsyth, Jane Pollard

Rapid Eye Movies, 97 Minuten

Bereits erschienen

| FAQ 31 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: Archiv
Share