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Human in the Loop

Unter dem diesjährigen Motto „we show you what you can’t see“ ist es im März wieder soweit. Drei Wochen lang wird im Rahmen des imagetanz Festivals Neues aus dem Bereich Choreografie und Performance präsentiert.

Foto: Loizenbauer

Das Kunstherz schlägt höher, wenn lokale und internationale Kunstschaffende an den unterschiedlichsten Spielstätten des brut Wien Ur-, Erst- und Studioaufführungen darbieten. Wir trainieren wie jedes Jahr wieder unseren Möglichkeitssinn, erleben „soziale Halluzinationen“, wenn wir die unmöglichsten Eigenschaften in die Darsteller hineininterpretieren. Aber handelt es sich bei allen Performenden wirklich um Menschen? Die Performance youAI von H.A.U.S. (Humanoids in Architecture and Urban Space) wirft schon im Vorfeld diese Frage auf. Denn die transdisziplinäre Forschungsgruppe H.A.U.S. behandelt künstlerische, humanistische, soziale oder technische Aspekte von humanoiden Robotern. Entwicklungen, Erkenntnisse und Einsichten werden nicht nur nach Zielsetzungen in ihrem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang bewertet, sondern auch in offenen lebensweltlichen Kontexten mittels öffentlicher Experimente und Performance-Kunst getestet. Humanoide Roboter als Agenten, als autonome Maschinen (machina bedeutet im Lateinischen auch Betrug) dringen in unsere intimen Privatsphären ein. Technische Geräte wirken anziehend, wir können sie anziehen (Roboterhand), und manchmal gehen sie auch unter die Haut, ziehen quasi in unseren Körper ein (Herzschrittmacher, Hörgeräte etc).

Foto: Loizenbauer

Roboteranzüge könnten uns Menschen in sehr naher Zukunft im Alltag helfen – bei Überkopfarbeiten, im Pflegebereich, im Katastropheneinsatz. Aber auch als persönlicher Coach, wenn Bewegungsmuster einer tanzenden Person mit Hilfe eines Anzugs auf unsere Gelenke übertragen werden, wenn wir das Zehnfinger-System beim Schreiben oder das Klavierspielen Roboter-unterstützt lernen wollen. Doch bevor wir von den Robotern lernen können, müssen wir erst für ihre Lernfähigkeit sorgen. Denn lernen aus der Beobachtung des Menschen ist ein Paradigma der Zukunft für die Roboter-Programmierung, und zwar nicht nur für Greifaufgaben, sondern auch für Ganzkörperbewegungen: Der Mensch dient als Referenzmodel mit seinen rund 140 echten Gelenken. Doch welches Bewegungsalphabet können wir Humanoiden anbieten? Welche Posen, welche Balancier-Strategien? Welche Greif-, aber auch Begreif-Fähigkeiten haben wir gemeinschaftlich entwickelt? Wir brauchen einander, um genau diese Feinfühligkeiten nicht verkümmern zu lassen. Industrieroboter mögen millimetergenau agieren, Sozialroboter im Zentimeter-Bereich, der Mensch aber immer noch im Präzisionsmodus der Imagination und Intuition. Passen wir also auf, dass wir nicht zum bloßen Human-in-the-Loop mutieren, der mit seinen Tätigkeiten nur mehr KI-Systeme trainiert (Wer hat ChatGPT noch nicht ausprobiert?), sondern greifen zum absichtslosen Gedanken- und Hüftkreisen zu einem analogen Hula-Hoop-Reifen (vor oder nach dem Besuch einer imagetanz-Veranstaltung).

imagetanz 2023
brut-wien.at

 

| | Text: Michael-Franz Woels
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